Julia Extra Band 0293
bestürzt an, doch Susan schüttelte hastig den Kopf. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. „Nein, bitte, bleiben Sie ruhig sitzen!“
„Susan.“ Julian reichte ihr seine Hand, aber sie wich vor ihm zurück.
„Nein! Nein, Julian, ich kann nicht mehr!“ Ihre Stimme brach. „Ich kann das nicht länger tun. Ich kann keine Gefühle verleugnen, die ich wirklich empfinde, und sie gleichzeitig vorspielen. Ergibt das überhaupt irgendeinen Sinn?“ Sie lachte hektisch. „Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, deine widerlichen Lügen zu ertragen? Jan vorzutäuschen, es wäre alles echt? Alles Schöne, das wir letzte Nacht geteilt haben, hast du heute in den Dreck gezogen.“ Sie schluchzte laut auf. „Es benutzt!“
Beide Männer starrten sie sprachlos an. Jans Gesicht wirkte bleich und erschrocken, Julians Miene war zu einer harten Maske erstarrt.
Und Susan verlor vollends die Fassung. „Jetzt endlich begreife ich, dass du mich nur ausnutzt. Hat ziemlich lange gedauert, was? Ich hatte so gehofft, es würde mehr in dir stecken als das. Dass ich dich vielleicht sogar ändern könnte. Aber das kann ich nicht. Und ich kann auch nicht weiter so tun, als wären wir verheiratet. Oder vorlügen, ich würde dich lieben. Denn die schreckliche, ironische Wahrheit ist: Ich kann es nicht, weil ich es nämlich tatsächlich tue. Ich liebe dich!“
Tränenblind stieß sie einen Kellner zur Seite und flüchtete zu den Fahrstühlen. Sie konnte kaum fassen, dass sie durch diese Szene den Abend ruiniert hatte. Aber was zu viel war, war zu viel.
Ihr Haus wirkte leer und deprimierend. Susan fühlte sich so ausgebrannt wie nie zuvor in ihrem Leben. Niemand brauchte sie: Dani nicht und Julian erst recht nicht. Ihr war nichts und niemand geblieben.
Susans Zukunftspläne, sich eine kleinere Wohnung zu nehmen, wirkten so lächerlich im Vergleich zu dem, was sie wirklich wollte – was sie sich insgeheim erhofft hatte. Und was sie niemals erreichen würde.
Trübsinnig saß sie in ihrem Schlafanzug auf dem Sofa und trank eine Tasse Tee. Sie fragte sich, was Julian jetzt wohl tat und vor allem, was er von ihr dachte. Hatte er seinen Auftrag verloren? War seine Karriere ruiniert?
Plötzlich wurde die Haustür geöffnet.
„Dani?“, rief Susan in den Flur, doch anstelle ihrer Schwester erschien Julian in der Tür.
Seine Haare und sein Mantel waren nass vom Regen. Genauso nass wie Susans verweintes Gesicht. „Darf ich hereinkommen?“
Sie zuckte leicht die Achseln, während er sich auf einen Stuhl setzte und seine Hände in den Schoß legte.
„Also“, brach sie das Schweigen. „Was ist passiert? Jan muss gedacht haben … oder hast du vielleicht einen Weg gefunden, meinen Ausbruch irgendwie zu erklären und dich doch noch aus der Affäre zu ziehen?“
„Nein, habe ich nicht.“
Sie sah ihm direkt in die Augen. „Dann ist deine Karriere jetzt am Ende?“
„Das glaube ich nicht. Aber der Auftrag ist weg.“
Sie nickte langsam. „Jan wird also niemandem davon erzählen?“
„Nein, er war erstaunlich verständnisvoll.“ Julian holte tief Luft. „Vermutlich weil ich ihm gesagt habe, dass ich dich wirklich von Herzen liebe.“
Susan glaubte, sich verhört zu haben. „Noch mehr Lügen? Du bist wirklich gut darin, Leute hinters Licht zu führen.“
Er nickte. „Ja, das bin ich wohl. Das war ich immer. Ich dachte eben, dazu wären Menschen da.“
Die Tatsache, dass er in der Vergangenheitsform sprach, ließ sie aufhorchen. „Denkst du das jetzt nicht mehr?“
Julian schüttelte den Kopf. „Nein. Ganz und gar nicht.“
„Warum hat Jan dir dann den Auftrag entzogen? Wenn er doch Verständnis für deine Situation hatte?“
„Weil ich ihn darum bat, Dan den Zuschlag zu geben.“
Verwirrt stellte sie ihre Tasse ab. „Dan White? Dem amerikanischen Architekten?“
„Genau.“
„Wieso? Was springt für dich dabei raus?“
Jetzt musste er lachen. „Nichts.“
Einen Moment lang fehlten ihr die Worte. „Was ist auf einmal los, Julian? Worauf hast du es abgesehen? Auf mich?“ Sie stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Erzählst du wieder Märchen, weil du etwas von mir willst? Wartet Jan dort draußen auf unsere große Versöhnung? Oder gibt es jemand neuen, den du von unserer Scheinehe überzeugen willst? Stears? Oder jemand aus dem Büro? Ganz Edinburgh?“ Ihre Stimme wurde immer schriller. „Was ist? Was willst du jetzt noch von mir?“
Nun stand auch Julian
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