Julia Extra Band 0293
abschminken, Kindchen.“
„Du hast doch ohnehin nicht daran gedacht, mir den Job zu geben“, konterte Claire bitter.
„Ich war drauf und dran, es mir zu überlegen.“
„Na gut, jedenfalls habe ich gesagt, ich würde den Konzern verlassen, wenn ich nicht befördert werde, und dazu stehe ich, Dad.“
Sumner Mayfield lächelte nachsichtig. „Ach, Kindchen, im Geschäftsleben geht es zu wie beim Pokern. Man sollte keinen Einsatz wagen, wenn man nicht bereit ist zu verlieren.“
Er tätschelte ihr die Wange und setzte sich dann wieder. Anscheinend war er der Meinung, sie hätte nur geblufft.
Als Claire einige Stunden später am Flughafen von Traverse City in Michigan auf ihr Gepäck wartete, dachte sie sich, dass allein der völlig verdutzte Ausdruck ihres Vaters es wert gewesen war, sofort und fristlos zu kündigen.
3. KAPITEL
Ethan stand auf der Terrasse seines Ferienhauses in Glen Arbor. Es gab in der Gegend größere Häuser, die Millionen gekostet hatten, aber keines hatte eine so herrliche Aussicht auf die beiden Seen Big Glen, Little Glen und den fernen Michigansee im Westen.
Er hatte das Grundstück zu einem, wie er fand, stolzen Preis gekauft, gerade als der Immobilienmarkt in der Gegend in Schwung kam. Inzwischen hatte sich der Wert verdreifacht, auch ohne das Haus mitzurechnen, das er mittlerweile hatte bauen lassen.
Es war ein echtes Blockhaus aus ganzen Stämmen, sehr geräumig, mit insgesamt vier Schlafzimmern. Das obere Stockwerk war so aufgeteilt, dass die Gästezimmer separat lagen – was vor allem dann von Vorteil war, wenn Ethans Bruder Michael mit seiner Frau Melissa und den drei lebhaften Kindern im Vorschulalter zu Besuch kamen.
Doch nicht Michael wurde jetzt von Ethan erwartet, sondern sein jüngster Bruder James mit seiner Frau Laura, die hochschwanger war. Das Kind sollte zu Weihnachten auf die Welt kommen, also in ungefähr einem Monat.
Die beiden werden meinen Frieden kaum stören, dachte Ethan und genoss die morgendliche Stille, die nur von den heiseren Schreien des Eichelhähers und dem Rascheln von Eichhörnchen unterbrochen wurde.
Gewitter waren vorhergesagt, aber noch war die Luft ruhig und frisch. Wellen kräuselten die Wasseroberflächen der beiden Seen, und am Horizont türmten sich über dem Michigansee die ersten dunklen Quellwolken.
Die passen zu meiner Stimmung, gestand sich Ethan ein. Obwohl er es versuchte, konnte er Claire einfach nicht vergessen. Als ob man einen Splitter unter der Haut hatte, der sich nicht herausziehen ließ und einen ständig quälte.
Ethan hatte ihre sexy Stimme im Ohr, sah vor dem inneren Auge ihr langes dunkles Haar, spürte unter den Fingerspitzen förmlich ihre seidig weiche Haut …
„Ich muss mehr unter Leute“, sagte er sich halblaut.
In der vergangenen Nacht hatte er von ihr geträumt, nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren, aber keiner der Träume war so erotisch gewesen. Erregt und zugleich frustriert war er aufgewacht. Zornig auf Claire, zornig auf sich … weil er sich plötzlich so einsam fühlte. Als würde in seinem Leben etwas fehlen.
Dabei hatte er doch alles, was er brauchte, alles, was er sich wünschte.
Lügner! sagte eine innere Stimme ihm rücksichtslos.
Ethan ging, den Kaffeebecher in der einen Hand, zur Brüstung der Terrasse. Er hob eine heruntergefallene Eichel auf und warf sie zwischen die Bäume, wo ein Eichhörnchen sie vielleicht aufsammeln würde …
Weit unten wand sich die Straße in vielen Kurven entlang des Little Glen, verzweigte sich und kletterte gewissermaßen die Hänge hinauf. Trotz der frühen Stunde war dort schon ein Radfahrer unterwegs, vermutlich einer, dem das Training nicht hart genug sein konnte. Oder war es eine Frau? Aus der Entfernung konnte man das natürlich nicht erkennen.
Er überlegte, ob er auch losradeln solle. Ein bisschen Training konnte ihm nicht schaden. Vielleicht würde er dann nicht länger an Claire denken.
Der Radfahrer kam an eine Kreuzung, aber statt weiter geradeaus in die Stadt zu fahren, begann er, den steilen Anstieg zu nehmen. Besser gesagt, sie, denn nun wurde deutlich, dass es nur eine Frau sein konnte. Die Gestalt war zu zierlich für einen Mann, und welcher Jungendliche würde vor der Schule schon so ein hartes Training auf sich nehmen?
„Mutig, mutig, Schätzchen“, sagte Ethan halblaut vor sich hin. „Aber du wirst es in ungefähr zweihundert Metern bereuen.“
Tatsächlich wurde die Frau gleich darauf langsamer, aber sie stieg nicht ab,
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