Julia Extra Band 0294
Angestellten, der wegen eines schweren Drogenproblems nicht mehr arbeitsfähig war, hatte Harry aus eigener Tasche beträchtliche Mietrückstände beglichen, dessen Frau eine Anstellung in der Firma gegeben und für deren drei kleine Kinder einen Platz in einer Tageskrippe besorgt.
Gina schluckte die Tränen hinunter, die ihr in die Augen zu steigen drohten. „Das habe ich auch nicht gedacht. Aber du musst auch meinen Standpunkt verstehen. Was Liebe und Zusammengehörigkeit angeht, klaffen unsere Meinungen meilenweit auseinander. Ich will keine Zeit mehr an hoffnungslose Techtelmechtel verschwenden. Ich will, dass mein Herz wieder mir gehört, und ich kann nicht mit jemandem schlafen, wenn kein Gefühl im Spiel ist. Zumindest würde es mir ohne Liebe keinen Spaß machen.“
Er nickte bedächtig und murmelte leise: „Ich wüsste zu gern seinen Namen, nur um ihm zu sagen, dass er ein verdammter Trottel ist.“
„Ich bin auch ein Trottel. Ich wusste, auf was ich mich einlasse, aber ich konnte mich nicht bremsen. Ich werde es wohl nie können. Deshalb muss ich weg von hier. Ich will mich nicht in eine Person verwandeln, die ich nicht mag.“
„Du liebst ihn anscheinend sehr.“
„Ja.“
„Manchmal ist das Leben nicht besonders lebenswert, oder?“
Meins hat mir gefallen, bis du aufgetaucht bist …
Sie stand auf, als der Welpe zu zappeln begann. „Ich bringe die Kleine lieber zurück zu ihren Schwestern.“
Draußen vor dem Fenster stahlen sich die ersten rosigen Strahlen der Dämmerung in den kohlschwarzen Himmel, und eine Schar Vögel begann zu singen. Ein wundervoller Frühlingstag brach an.
Gina legte den Hund zu den anderen und verließ den Heizungsraum.
Am Fuß der Treppe wartete Harry auf sie. „Wenn wir Glück haben und sie nicht wieder aufwachen, können wir noch ein paar Stündchen schlafen, bevor der Wecker klingelt“, sagte er mit einem matten Lächeln, während sie gemeinsam hinaufgingen.
„Ich habe gar keinen Wecker.“
„Keine Sorge, ich klopfe an deine Tür.“
Vor ihrem Zimmer blieb er stehen und sagte sanft: „Ich wollte dir nicht wehtun, Gina.“
Eine Sekunde lang fürchtete sie, dass er ihre Gefühle erahnte. „Wie bitte?“
„Ich wollte kein Salz in die Wunde streuen, was deinen Typen angeht.“
Insgeheim atmete sie erleichtert auf. „Das hast du auch nicht getan.“
„Und du bist kein Feigling. Ganz im Gegenteil.“
Er stand ganz nah vor ihr, eine Hand neben ihrem Kopf an die Wand gestützt. Der Limonenduft des Duschgels, das sie im Gästebadezimmer vorgefunden und ebenfalls benutzt hatte, stieg ihr in die Nase. An seinem Körper roch es jedoch viel würziger und verführerischer. „Mein Weggehen beruht eher auf einem Selbsterhaltungstrieb.“
Er nickte. „Das habe ich inzwischen begriffen. Und wenn du einen Freund brauchst, dann ruf mich an. Ich bin jederzeit für dich da.“
Harry war kein Mensch, der Plattitüden von sich gab. Den Tränen nahe vor Rührung, wagte sie nicht zu sprechen. Stattdessen beugte sie sich auf Zehenspitzen zu ihm vor und küsste ihn flüchtig auf die Wange.
Er rang nach Atem, rührte sich jedoch nicht, während sie unter seinem Arm durchtauchte und in ihr Zimmer ging. Entschieden schloss sie die Tür hinter sich, blieb reglos stehen und lauschte mit pochendem Herzen. Doch vom Flur her war kein Geräusch zu hören.
Nach einer Weile legte Gina sich ins Bett. Tränen strömten ihr über das Gesicht. In den Bademantel gehüllt, deckte sie sich zu und schloss fest die Augen.
Bald darauf schlief sie ein, mit Tränen auf den Wangen und vollkommen erschöpft.
6. KAPITEL
Harry stand am Fenster seines Schlafzimmers und blickte in den Garten, in dem die erste Amsel ihr Morgenlied trällerte. Rosige Streifen überzogen den Himmel.
Der Anbruch eines neuen Tages …
Nach der Trennung von Anna hatte seine Mutter ihm geraten, jeden neuen Tag als Neubeginn anzusehen, wie sie selbst es zu tun pflegte. Die Vergangenheit mit all ihren Irrungen und Wirrungen war vorüber und nicht mehr zu ändern, Gegenwart und Zukunft jedoch waren jungfräulich und nach jedermanns eigenen Wünschen gestaltbar.
Damals, von Zorn und Bitterkeit erfüllt, hatte er diese philosophischen Anwandlungen als lächerlich abgetan, stammte sie von einer Person, die noch nie wirkliches Leid ertragen musste.
Nun fragte er sich, ob er noch so arrogant wie damals war.
Gina würde sagen, dass kein Zweifel daran besteht …
Mit einem düsteren Lächeln wandte er sich vom Fenster
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