Julia Extra Band 0294
ich nicht sein Typ bin. Sonst hätte ich ihm nicht lange widerstehen können und mich nach einer flüchtigen Affäre noch mieser gefühlt als jetzt …
Gina hörte seine Schritte, legte eine gelassene Miene auf und blickte ihm lächelnd entgegen. Er trug ein Tablett mit zwei Bechern, einem großen Teller mit gebuttertem Toast und verschiedenen Brotbelägen. Wie unfair, dachte sie, dass Männer so reizvoll aussehen, wenn sie total zerzaust aus dem Bett kommen, während Frauen nur ungepflegt wirken. „Das sieht aber gut aus.“
„Das Dinner ist schon lange her.“ Lächelnd stellte er das Tablett ab und deutete zu dem Welpen auf ihrem Schoß. „Sie hat dich adoptiert. Ein kluges Tier.“
Ihr wurde ganz warm. Es war sehr dumm, so heftig auf den sanften Klang seiner Stimme zu reagieren, doch sie konnte einfach nicht anders – obwohl sie wusste, dass er nur in Flirtlaune war und es für ihn nichts weiter bedeutete.
Sie griff zurück auf die eiserne Selbstbeherrschung, mit der sie die Monate seit dem Weihnachtskuss überstanden hatte, und konterte: „Klug wohl kaum. Ich gehe am Wochenende für immer fort, und ein Hündchen steht eindeutig nicht auf meinem Programm.“
Einige Sekunden verstrichen, bevor er fragte: „Bist du sicher, dass du gehen willst?“
„Vollkommen sicher.“ Sie blickte ihm fest in die Augen. „Wir haben dieses Thema doch schon beim Dinner durchgekaut.“
„Stimmt, aber du hast mich nicht überzeugt.“
„Ich dachte, ich hätte klargestellt, dass ich Yorkshire verlassen muss.“
„Das schon. ‚Müssen‘ ist aber nicht gleich ‚wollen‘. Du wirst dich mies fühlen in London.“
„Oh, vielen Dank! Ein wahrhaft toller Freund bist du!“, murrte sie sarkastisch.
„Du hast mir doch gesagt, dass ich kein Freund bin.“ Er blickte sie forschend an. „Was genau bin ich also für dich, Gina? Was siehst du in mir?“
Ihr gefiel die Richtung nicht, in die dieses Gespräch führte. Sie lächelte dünn. „Den Sohn meines Chefs.“
„Ex-Chef“, konterte Harry. „Und weiter?“
„Du bist sehr gut in allem, was du tust – versiert und zielgerichtet.“
„Vielen Dank. Was noch?“
„Muss es noch mehr sein?“
„Das hoffe ich doch. Als Mensch – als Mann – magst du mich da?“
„Das solltest du nicht erst fragen müssen. Immerhin haben wir über ein Jahr zusammengearbeitet.“
„Eben drum. Ich bezeichne uns als Freunde, aber du siehst das anders. Demnach weiß ich nicht, wie du tickst. Die wahre Gina kenne ich gar nicht. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass du einen Geliebten hast.“
Kühl entgegnete sie: „Entschuldige bitte, aber ich kann mich nicht erinnern, dass du dein Privatleben mit mir erörtert hast. Während du immerhin von meiner Familie weißt, meinen Freunden …“
„Offensichtlich nicht von allen.“
Sie ignorierte den Einwurf und fuhr fort: „Meine Kindheit, meine Jugend, meine Studienzeit – über all das habe ich gesprochen. Du dagegen hast dich sehr bedeckt gehalten.“
Ernst blickte er sie an und entgegnete mit seltsamer Stimme: „Das stimmt zwar, aber die ganze Geschichte über Anna habe ich bisher nur dir erzählt – natürlich abgesehen von meinen Eltern als Erklärung, warum ich damals das Land verlassen habe. Zählt das für dich nichts?“
Sie senkte den Blick auf den Toast in ihrer Hand. „Ich wollte gar nicht sagen, dass du dich mir hättest anvertrauen müssen. Ich finde nur, dass du mir nichts vorwerfen solltest, was du selber tust.“
Schweigen folgte. Draußen war es noch immer stockdunkel; ringsumher schlief alles. Das seltsame Gefühl der Unwirklichkeit, das Gina seit einer Weile verspürte, verstärkte sich.
„Ich kann dich also nicht zum Bleiben überreden?“ Seine Stimme klang rau.
„Natürlich nicht. Es wäre nicht praktikabel. Alles ist arrangiert. Ich muss am Samstag früh aus meiner Wohnung ausziehen. Ich hätte nicht mal eine andere Bleibe.“
„Du kannst mein Gästezimmer haben, bis du etwas anderes findest.“
Etwas in seinem Blick rief ein Gefühl der Schwäche in ihr hervor. „Ich habe einen Job und eine Wohnung in London. Außerdem hat sich nichts an dem Grund geändert, aus dem ich weggehen will.“
Unvermittelt eröffnete Harry: „Ich habe übrigens noch nicht geschlafen, als ich dich vorhin auf der Treppe gehört habe.“
„Und ich dachte schon, ich hätte dich geweckt.“
„Willst du gar nicht wissen, was mich wach gehalten hat?“ Bevor sie antworten konnte, fuhr er fort: „Es war die
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