Julia Extra Band 0294
nicht frei. Also hielt sie notgedrungen dicht vor ihm an und betete, dass ihr die Aufregung nicht anzusehen war.
„Ich kann ganz deutlich deine Sommersprossen sehen“, murmelte er.
Sie krauste die Nase. „Erinnere mich bloß nicht daran!“
„Ich mag Sommersprossen, besonders zu blauen Augen und rotblonden Haaren.“
„Tizian“, korrigierte sie automatisch und war froh, dass er nicht „karottenrot“ dazu sagte.
„Tizian“, wiederholte er sanft. „Aber deine Wimpern sind dunkelbraun. Und sehr lang.“
Seine Bemerkung freute sie, denn sie mochte ihre Wimpern mehr als alles andere. Vergeblich suchte sie nach einer geistreichen Entgegnung, doch sein Blick irritierte sie. Es war der bewundernde und überraschte Blick eines Mannes, der einer attraktiven Frau gegenübersteht.
Aber das ist Harry, warnte eine innere Stimme – der Selbstgenügsame, der niemanden wirklich an sich heranlässt und Frauen allein zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse braucht.
Und das wäre bei dir nicht anders.
Also durfte sie sich nicht mit ihm einlassen.
Sie liebte ihn zu sehr, um für ihn eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten zu werden. Sie hätte es nicht ertragen, am Ende mit einem fröhlichen Winken und einem lässigen Lebewohl von ihm verabschiedet zu werden.
„Ist dir nach einer Tasse Tee?“, fragte sie und hörte einen Anflug von Hysterie aus ihrer Stimme.
Er zögerte flüchtig, bevor er gelassen erwiderte: „Wenn es Toast dazu gibt. Ich bin furchtbar hungrig.“
Das war auch sie, doch ihr gelüstete nicht nach Tee und Toast. Fast bereute sie, dass sie die Chance, den anderen Appetit zu stillen, vertan hatte.
Drei Welpen waren wieder eingeschlafen; nur der Kleinste kratzte mit den Vorderpfoten an der Holzumzäunung und jaulte kläglich. Froh über die Ablenkung, hob Gina den Winzling auf die Arme, woraufhin er sich augenblicklich an sie kuschelte und die Augen schloss.
„Was ist?“, fragte sie, als sie einen Blick von Harry auffing. „Das arme kleine Ding braucht ein paar Kuscheleinheiten nach allem, was es durchgemacht hat.“
Belustigt hakte er nach: „Willst du deine Kinder auch so verhätscheln?“
„Mit Streicheleinheiten, wenn sie verängstigt oder aufgelöst sind?“, konterte sie schroff und ignorierte den Stich in der Herzgegend. Kinder kamen für sie nicht infrage, weil er nicht als Vater zur Verfügung stand. „Ja, unbedingt.“
Gemeinsam gingen sie in die Küche. Gina versuchte gar nicht erst, mit dem Hündchen an der Brust auf einen Hocker zu klettern, sondern lehnte sich an den Esstresen und sah zu, wie Harry den Kessel aufsetzte und zwei Scheiben Brot in den Toaster steckte. „Hast du was dagegen, wenn ich ins Wohnzimmer gehe? Meine Füße werden kalt auf den Fliesen.“
„Gern. Ich serviere gleich.“
Sein Kinn war von dunklen Bartstoppeln übersät. Er unterschied sich gewaltig von dem makellos gepflegten Geschäftsführer, den er bei Tag abgab, und er war hundert Mal gefährlicher.
Mit einem prickelnden Gefühl, dem sie lieber keinen Namen geben wollte, ging sie ins Wohnzimmer, sank in einen großen Polstersessel und zog den Bademantel fest um sich. Der Welpe regte sich kurz und schlief wieder ein.
Ein seltsames Gefühl der Unwirklichkeit ergriff sie. Wie in aller Welt war sie in diese Situation geraten? Dürftig bekleidet in Harrys Haus um vier Uhr morgens, während er ebenso spärlich angezogen in der Küche hantierte? Schlimmer noch, ihr Haar war zerzaust und das Gesicht ohne die geringste Spur von Make-up. Selbst in ihren zahlreichen wilden Träumen hatte sich nie ein derartig peinliches Szenario abgespielt.
In ihrer Fantasie war sie stets perfekt zurechtgemacht und sah hinreißend aus, und er, dem es plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel, sank ihr bewundernd zu Füßen und machte ihr einen Antrag, bevor er sie in sein Schlafgemach entführte. Und danach trug sie einen riesigen Diamantring am Finger und fühlte sich wie auf Rosen gebettet.
Unmögliche Träume!
Sie seufzte und dachte ironisch: Na ja, wenigstens stehen Rosen neben der Tür.
Das Haus eignete sich hervorragend für eine Familie mit Kindern. Doch Harry stellte immer wieder ganz deutlich klar, dass für ihn eine Ehe nicht infrage kam, geschweige denn Kinder. Er war mit seiner Freiheit verheiratet und verkehrte nur mit Frauen, die bereitwillig einen vorübergehenden Platz in seinem Leben akzeptierten. Familiengründung passte einfach nicht in dieses Konzept.
Vielleicht ist es ein Segen, dass
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