Julia Extra Band 0294
Gast zum Frühstück eingeladen hatte: Janice, die ein Stockwerk tiefer wohnte und als Krankenschwester arbeitete. Es sollte eine Art Abschiedsessen sein, da sie in diesem Monat Nachtschicht hatte und deshalb an den Abenden nicht verfügbar war.
Gina hasste es, unzuverlässig zu sein. Aber in Harrys Gesellschaft trat der Rest der Welt einfach in den Hintergrund. „Leider doch.“ Sie seufzte. „Das muss ich nachher unbedingt in Ordnung bringen.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Es tut mir leid.“
Auf sie wirkte er eher aufgebracht als reumütig. „Schon gut.“ Und jetzt geh einfach .
Er ging nicht. In ernstem Ton verkündete er: „Es zahlt sich nicht aus, sich von jemandem schikanieren zu lassen.“
„Wahrscheinlich nicht“, räumte sie verwirrt ein.
„Und ein glatter Bruch ist meistens am besten.“
„Tut mir leid, ich kann dir nicht folgen.“
„Dieser ominöse Besuch ist doch wohl der Typ, der dich abserviert hat. Oder etwa nicht? Verdammt, durchschaust du ihn denn immer noch nicht? Er weiß, wie du zu ihm stehst und warum du weggehst, und trotzdem besucht er dich, um … Wozu? Was will er noch von dir?“
Ihre Gedanken überschlugen sich. Dann erklärte sie entrüstet: „Eine Freundin, die eine Etage unter mir wohnt, wollte zum Frühstück kommen. Was immer du dir in deiner Fantasie auch zusammengereimt hast, entspricht also nicht den Tatsachen.“
Es dauerte einige Sekunden, bis seine Verärgerung in Verlegenheit umschlug. „Entschuldige. Ich habe zwei und zwei zusammengezählt und bin …“
„Auf ungefähr hundert gekommen? Ja, so viel ist klar.“ Auch wenn sie sich nicht einbildete, dass seine Sorge um sie auf etwas anderem als einer rein freundschaftlichen Regung beruhte, wurde ihr warm ums Herz. Denn gewiss war er nicht so besorgt um die vielen anderen Frauen, die in regelmäßigen Intervallen durch sein Bett huschten.
„Ich habe voreilig eine falsche Schlussfolgerung gezogen, obwohl ich es besser wissen sollte.“ Harry lächelte. „Du bist nicht der Typ, der sich etwas anders überlegt, wenn er erst mal eine Entscheidung getroffen hat – oder das eine sagt und etwas anderes meint.“
Was weißt du denn schon von mir? „Genau.“
„Ich gehe jetzt, damit du dich anziehen kannst. In zwanzig Minuten können wir essen.“
Er verließ das Zimmer und schloss die Tür, doch Gina blieb minutenlang reglos liegen. Schließlich ging sie ins Badezimmer, musterte sich im Spiegel und erschrak. Der Weinkrampf am vergangenen Abend hatte tatsächlich deutliche Spuren in Form von dunklen Schatten unter den Augen und geschwollenen Lidern hinterlassen. Und ihre Haare waren hoffnungslos zerzaust.
Fünfzehn Minuten später sagte ihr der Spiegel, dass sie wieder ganz passabel aussah. Die Haare waren gewaschen und zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Tagescreme, Mascara, Lidschatten und Lipgloss – stets in der Handtasche parat – taten ihr Übriges. In weiser Voraussicht hatte sie außerdem am vergangenen Abend ihre Dessous ausgewaschen und zum Trocknen auf die Heizung gehängt. Daher fühlte sie sich nun rundherum frisch und sauber.
Brunch mit Harry – das allerletzte Mahl mit ihm, dachte sie mit theatralischer Miene. Ihr war sehr pathetisch zumute.
Im Erdgeschoss angekommen, blieb sie im Treppenhaus stehen. Sonnenschein fiel durch das Fenster auf die alten Bodendielen, die eine reizvolle Zeitlosigkeit ausstrahlten. Das Cottage wirkte bezaubernd. Gina malte sich aus, wie es im Hochsommer sein mochte, wenn Rosen, Jasmin und Geißblatt das Haus umrankten, wenn Blütenduft die warme Luft erfüllte, wenn am Abend der samtene Himmel von Sternen übersät war und eine friedvolle Stille herrschte. Sie fragte sich, ob Harry in solch lauen Sommernächten ganz allein draußen auf der Veranda saß und bei einem Glas Wein brütend in den dunklen Garten blickte.
Das Bild ging ihr sehr nahe. Sie verdrängte es entschieden. Viel wahrscheinlicher war, dass die gerade angesagte Blondine auf Tuchfühlung neben ihm oder sogar auf seinem Schoß saß und sich auf die bevorstehenden nächtlichen Vergnügungen freute.
Sie hob den Kopf, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung am Ende des Flurs bemerkte.
Harry stand in der Küchentür. „Ich denke, wir sollten im Frühstückszimmer essen. Da ist es nicht so steif wie im Esszimmer und bequemer als auf den Hockern in der Küche. Okay?“
Sie nickte und trat mit einem aufgesetzten Lächeln zu ihm. „Kann ich dir helfen?“
„Trägst du bitte den Salat
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