Julia Extra Band 0294
besagte, dass weibliche Angestellte, gleichgültig, wie attraktiv sie sein mochten, tabu waren.
Aber immerhin hatte er sein ursprüngliches Ziel ja erreicht. Lily Frome bot das perfekte Bild einer zukünftigen Braut, bereit, bei jeder Gelegenheit in seinen Armen zu schmelzen. Allerdings verschaffte ihm das nicht die Befriedigung, die er sich erhofft hatte, wie er nervös bemerkte.
Der Weg zu dem kleinen Salon im Erdgeschoss gab ihm genügend Zeit, seine Libido unter Kontrolle zu bringen. Die überstürzten Ereignisse waren auf schieres Verlangen zurückzuführen. Schließlich war er seit geraumer Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen. Und Lily Frome in ihrer grazilen verheißungsvollen Nacktheit zu sehen hatte auf sein männliches Lustzentrum gewirkt wie eine Flamme auf Benzin.
Unter den gegebenen Umständen war seine Entscheidung, sie zu küssen, völlig logisch – ein Mittel zum Zweck.
Und so klang auch seine Stimme wieder fest und sicher, als er jetzt vor der mit geschnitzten Ornamenten verzierten Tür stehen blieb. „Sei einfach du selbst“, sagte er zu Lily.
Bei seinen Worten kehrte Lily endlich wieder aus ihrem verrückten Traum auf die Erde zurück. Meinte er das sarkastisch? Natürlich … wie denn sonst? Sie selbst sein bedeutete, eine gewöhnliche, unaufregende, wenig weltgewandte und womöglich einfältige Frau zu sein. Kurz gesagt, der Typ Frau, dem er keinen zweiten Blick schenken würde.
Und doch … Erinnerungen an den stürmischen Kuss fluteten ihr Gehirn.
Paolo hatte sie geküsst, als ob er es ernst meinte. Leidenschaftlich. Bislang hatte sie nur selten die Zeit gefunden, um mit Männern auszugehen. Doch naiv war sie deshalb noch lange nicht. Sie wusste, wann ein Mann erregt war.
Sie straffte die Schultern. Irgendwie musste sie verbergen, dass die Spitzen ihrer Brüste wieder zu kribbeln begonnen hatten.
„Halte den Kopf gerade“, wies Paolo sie barsch an. Ihn ärgerte die Art und Weise, wie sie schon wieder aussah … Wie eine Frau, die sich gleich einem Erschießungskommando stellen musste. Wo war die glückliche Braut hin, die er noch vor wenigen Minuten in den Armen gehalten hatte?
Dann fiel ihm ein, dass er sie ja viel freundlicher behandeln musste. Sanft fügte er hinzu: „Niemand wird dich auffressen, cara ! Überlass das Reden mir. Und vergiss nicht, ich bin direkt neben dir und halte deine Hand.“
Und das sollte sie beruhigen? In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer nervös. Verletzlich. Und nach dem Kuss im Schlafzimmer war sie sich auch bewusst, wie leicht er ihren Widerstand brechen konnte. Panik stieg in ihr auf.
Sie betraten ein elegantes Zimmer mit weißen Wänden, weißen Vorhängen, cremefarbenen Polstermöbeln und Kristallvasen mit exotischen Blumen auf jeder freien Fläche.
Beim Anblick der zerbrechlich wirkenden weißhaarigen Dame, die an einem runden Tisch in einer der Fensternischen saß, verspürte Lily einen Stich. Sie atmete tief ein und wünschte, sie könnte in einer Rauchwolke verschwinden.
Signora Veninis strahlendes Begrüßungslächeln machte alles nur noch schlimmer. Aber als spüre Paolo ihre Zweifel, legte er ihr den Arm um die Taille und zog sie kurz beruhigend an sich. Dann küsste er seine Mutter auf die Wange. „Mamma, es tut mir so leid, dass wir dich haben warten lassen. Wenn ich mit Lily zusammen bin, vergesse ich immer die Zeit.“
Lily vermochte kaum zu glauben, welche Veränderung in ihm vorging. Seine Stimme klang so zärtlich, sein Lächeln wirkte so sanft, sein Respekt vor seiner Mutter aufrichtig. Nichts erinnerte mehr an den ungeduldigen, kritischen, herzlosen Mann, den sie kennengelernt hatte.
Gegen all ihre Prinzipien verstand Lily seinen Plan auf einmal besser.
Zu lügen hielt sie immer noch nicht für den richtigen Weg, sah aber, warum Paolo sich für diese Strategie entschieden hatte. Die alte Dame sollte ihre letzten Tage glücklich und sorgenfrei verbringen.
Ihr Herz klopfte wild, als Signora Venini eine zarte Hand nach ihr ausstreckte. „Lily … wie schön, Sie endlich zu treffen“, sagte sie mit schwacher Stimme. „Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir. Paolo hat mir schon so viel von Ihnen erzählt.“
Obwohl Paolo ermutigend lächelte, nahm Lily seine Anspannung deutlich wahr. Von diesem Augenblick hing viel für ihn ab. Und trotz ihrer Bedenken gab ihr das den nötigen Anstoß, sich an den runden Tisch zu setzen und ihre Lügengeschichte zu beginnen.
„Und ich freue mich auch, Sie endlich
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