Julia Extra Band 0294
das eigentlich? Wusste er, dass er nur zu lächeln brauchte, nur im Vorübergehen ihre Hand berühren musste, um ihre Atmung zu beschleunigen und ein erotisches Prickeln über ihren Körper zu jagen?
Lily hegte den furchtbaren Verdacht, dass sie sich in ihn verliebte … dabei wollte sie das nun wirklich nicht! Warum sollte sie wider besseres Wissen eine Fahrt zu einem Ort namens Unglück buchen, von wo aus es keine Rückfahrscheine gab?
Immer wieder konnte sie sich der kalten nackten Wahrheit stellen, dass nämlich die Zärtlichkeit, mit der er sie bedachte, nur Teil eines Schauspiels war. Doch das änderte rein gar nichts.
Und was die Küsse anging … auch über die hatte sie die Wahrheit herausgefunden. Sogar ohne Probleme. Die beiden Male, die er sie geküsst hatte, ließ sie ernste Anzeichen von Zweifeln oder gar Auflehnung erkennen.
Er manipulierte sie. Aber auch dieses Wissen bedeutete keinen Unterschied.
Verärgert – hauptsächlich über sich selbst – steckte sie ihre Bluse unter den Bund des cremefarbenen Leinenrocks, den sie aus der Fülle der Kleidungsstücke ausgewählt hatte, die Donatella für sie ausgepackt hatte. Rasch kämmte sie noch die kinnlangen Haare und legte einen Hauch Gloss auf die Lippen.
Der Blick in den Spiegel nötigte sie zu einem schiefen Lächeln. Eine perfekt, dennoch dezent gestylte Frau sah ihr entgegen, die mit ihrem Ich von vor wenigen Tagen kaum etwas gemeinsam hatte.
Vor fünf Minuten hatte Carla sich über das Haustelefon gemeldet. Signora Venini weile auf der Terrasse, die frische Luft tue ihr gut. Sie würde sich sehr freuen, wenn Signorina Lily ihr Gesellschaft leisten könnte.
Es würde das erste Mal sein, dass sie mit Paolos Mutter alleine war. Schon der Gedanke machte sie nervös. Was sollte sie nur tun, wenn die alte Dame wieder auf die Hochzeitsvorbereitungen zu sprechen kam?
Paolo befand sich den ganzen Tag geschäftlich in Florenz. Er hatte sie eingeladen, ihn zu begleiten – sie könne einkaufen gehen oder die Sehenswürdigkeiten besichtigen. Sie hatte abgelehnt, weil sie ein wenig Zeit für sich brauchte, um einen klaren Kopf zu bekommen und sich die Gefühle auszureden, die sie immer heftiger für ihn empfand.
Nun jedoch wünschte sie, sie hätte die Einladung angenommen – wenn auch nur, um das bevorstehende Zusammentreffen mit seiner Mutter und die möglichen Fallstricke dabei zu vermeiden.
Nachdem sie die Terrasse betreten hatte, blieb sie einen Moment stehen und genoss die sanften Sonnenstrahlen und die zaghafte Wärme des toskanischen Frühlings auf ihrer Haut. Sie zuckte ein wenig zusammen, als ein fröhliches „ Buongiorno , Lily!“ ertönte.
„ Signora “, erwiderte sie schwach. Nur zögernd lenkte sie ihre Schritte zu dem Tisch in der Loggia, an dem die alte Dame im Schatten saß.
„Setzen Sie sich zu mir. Meinen Sie, wir können auf die Formalitäten verzichten? Ich bin Fiora.“ Sie lächelte charmant. „‚Mamma‘ verschieben wir auf den glücklichen Tag, an dem du meine Schwiegertochter wirst.“
Wohl wissend, dass dieser Tag niemals kommen würde, fühlte Lily sich ziemlich unwohl, als sie sich auf den Stuhl ihr gegenüber sinken ließ.
Wie sehr sie es hasste, diese alte Dame zu täuschen! Ein Teil von ihr sehnte sich danach, ihr reinen Wein einzuschenken, alles zu gestehen und endlich ihr Gewissen zur Ruhe zu betten … ganz gleich, welches Donnerwetter von Paolos Seite über sie hereinbrechen würde.
Doch dann sagte Fiora: „Wie hübsch du aussiehst! Endlich hat mein Sohn auf sein Herz gehört und eine kluge Wahl getroffen. Ein freundliches junges Mädchen mit einem großen liebenden Herzen und kein oberflächliches Modell, das sich nur für Geld interessiert! Du wirst ihn sehr glücklich machen!“
Darauf konnte Lily nur mit einem schweigenden Lächeln antworten. Ihre Hoffnung, Paolos Mutter die Wahrheit sagen zu können, schwand. Denn damit würde sie nicht nur das Glück der alten Dame zerstören, sondern auch einen Keil zwischen sie und ihren Sohn treiben. Und für keines von beiden wollte sie verantwortlich sein.
Glücklicherweise servierte Agata in diesem Moment den Kaffee.
„Die Krankenschwester, die mein Sohn eingestellt hat, ist abgereist“, fuhr Fiora munter fort, während sie den Kaffee aus einer eleganten silbernen Kanne einschenkte. „Was für eine rechthaberische Person! Ich habe Paolo gesagt, dass ich sie nicht mehr brauche, weil es mir schon viel besser geht.“
„Und er war damit
Weitere Kostenlose Bücher