Julia Extra Band 0294
müssen.
„Verzieh dich, Orfeo!“
Noch nie war Lily so froh gewesen, Paolo zu sehen. Ihr Zorn auf ihn verrauchte.
Tatsächlich verspürte sie eine Woge der Liebe zu ihm. Wie gerne wollte sie mit ihm zusammen sein und seinen Antrag annehmen. Aber sie wusste, dass sie das nicht konnte. Ja, nicht durfte.
Trotzdem wurden ihre Knie weich, als er den Arm um ihre Hüften legte.
„Lass dich von diesem Kerl nicht verunsichern, cara mia “, sagte er, als der junge Mann, kleinlaut an seiner Krawatte nestelnd, davonschlurfte. „Wenn er dir jemals wieder zu nahekommt, bringe ich ihn um! Ihn und jeden anderen Mann, der dir nicht mit Respekt begegnet!“
Lily lächelte unsicher. Beinahe glaubte sie ihm. Aber bedeutete das auch, dass Paolo eifersüchtig war? Natürlich hatte er seine Fehler, aber besitzergreifendes Verhalten hatte sie bislang nicht dazu gezählt. Die Frau an seiner Seite war ihm doch nur so lange wichtig, wie sein Interesse währte. Dann wurde sie ausrangiert, vergessen und durch die nächste ersetzt. Eifersucht lohnte doch nur, wenn Gefühle an einer Beziehung beteiligt waren.
„Komm mit, bella mia . Wir flüchten zusammen.“ Später würde immer noch genug Zeit sein, in Gegenwart von Edith und Fiora den Ausflug nach Amalfi zu erwähnen.
Lily wirkte gestresst. Ein wenig Ruhe, ein kleiner Spaziergang im Garten würden ihr guttun. „Niemand wird uns vermissen. Und wenn doch, werden alle verstehen, dass ein frisch verlobtes Paar ein paar Minuten allein sein will.“
Seine Worte ließen Alarmglocken in ihrem Kopf schrillen, doch Lily ignorierte die Warnung. Paolo führte sie durch die geöffnete Flügeltür auf die Veranda und weiter in den Garten. Als die angenehm kühle Nachtluft sie umfing, lehnte sie sich gegen seinen wunderbar starken Körper.
Genau das war es, was sie in diesem Augenblick brauchte. Erleichterung, der Party entkommen zu sein, durchströmte sie. Die Musik, die Stimmen und das Gelächter blieben, immer leiser werdend, hinter ihnen zurück.
Der Abend war ein einziger Albtraum gewesen. An seiner Seite hatte er ihr die versammelten Gäste vorgestellt. Dabei war ihre Anspannung kontinuierlich gewachsen. Als er schließlich vorgeschlagen hatte, sie solle doch alleine ein paar Runden drehen und mit dem einen oder anderen ein wenig plaudern, hatte sie sich unvermittelt verlassen und sehr schwach gefühlt.
In diesem emotional aufgewühlten Zustand war sie kurz davor gewesen, sich auf die Suche nach ihm zu machen und ihm zu sagen, dass sie ihn doch heiraten würde.
Zum Teil um Fioras und ihrer Großtante willen, aber hauptsächlich weil sie den Gedanken nicht ertrug, ihn nie wiederzusehen. Und dann war diese Frau gekommen und hatte ihr diese hässlichen Gemeinheiten vorgetragen.
„Du bist so still, meine Lily.“ Seine Stimme war wie eine sanfte Liebkosung, die kleine Schauer über ihren Rücken sandte.
„Ich gönne meinem Kopf eine Pause“, gestand sie.
„Ah ja, das kann ich verstehen“, erwiderte er amüsiert.
Plötzlich gefiel es ihr, bei ihm zu sein. Seine Gegenwart empfand sie nicht länger als bedrohlich. Er hatte sie vor diesem grabschenden Idioten, vor den neugierigen Blicken seiner Freunde und Familie gerettet, die sich vermutlich alle gerade fragten, wie eine unscheinbare Frau sich einen Mann hatte angeln können, der von der Ehe überhaupt nichts hielt.
Ob sie alle glaubten, dass sie – wie sein widerlicher Cousin anzüglich gemurmelt hatte – so unglaublich fantastisch im Bett war, dass Paolo ihr praktisch verfallen war?
Doch daran wollte sie im Moment wirklich nicht denken. Also schob sie all die verzwickten Probleme beiseite, um sich an der Einsamkeit und der Stille der Natur zu erfreuen.
Einen Arm um ihre Taille geschlungen, passte Paolo sich ihren Schritten an. Lily war froh, dass auch er schwieg. Sie hätte nicht gewusst, wie sie hätte reagieren sollen, wenn er wieder mit dem leidigen Thema Hochzeit angefangen hätte.
Seine Hand auf ihrer Hüfte zu spüren fühlte sich unglaublich richtig an. Die Luft war erfüllt von den milden Düften wilder Kräuter. Das Mondlicht tauchte die Eukalyptusbäume in silbrige Schatten. Reden würde den Zauber der Nacht nur zerstören.
Deshalb protestierte sie auch nicht, als Paolo einen ihr unbekannten Pfad einschlug. Am Ende des Weges stand ein kleines Gartenhäuschen, das von Rosen umrankt war.
„Setzen wir uns eine Weile hierher.“ Paolo führte sie zu einer gepolsterten Bank, die sich über eine ganze Seite des
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