Julia Extra Band 0294
begeht, seine Braut alleine zu lassen.“
Mit versteinerter Miene hatte er das Telefonat beendet und sich mit knappen Worten bei seinen Geschäftspartnern entschuldigt. Dann verließ er das Meeting.
Ein großer Fehler , hatte seine Mutter gesagt. Seit seiner Ehe mit Solange hatte er dafür gesorgt, dass er keine Fehler mehr machte. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er diesmal versagt hatte. Gewichtsverlust und traurige Augen passten nicht zu dem Typ Frau, der zugab, einen Mann nur seines Geldes wegen geheiratet zu haben.
Die Art und Weise, wie Lily ihre Ehe zerstört hatte, bevor diese eigentlich beginnen konnte, hatte ihn entsetzt, seinen Stolz und sein Herz verletzt – ein Herz, das gerade erst gelernt hatte zu lieben. Deshalb hatte er seine Verletzung vor ihr verborgen und sich zurückgezogen.
Er hätte in ihrer Nähe bleiben und herausfinden müssen, warum sich seine süße Lily in ein geldgieriges Monster verwandelt hatte. Und er hätte ergründen sollen, ob ihre Worte der Wahrheit entsprachen oder ob sie mit ihnen etwas anderes hatte verbergen wollen. Stattdessen hatte er sich in die Arbeit gestürzt – seine ewige Zuflucht.
Zähneknirschend eilte er auf der Suche nach seinen Angestellten durch die Villa, um sie nach dem Verbleib seiner Ehefrau zu befragen. Dabei kam er auch an der offenen Tür zum kleinen Salon vorbei. Auf einem Tischchen neben dem Sofa stand ein leeres Weinglas, daneben eine ebenfalls leere Flasche.
Ihm wurde erst heiß, dann eiskalt. Lily trank nur selten Alkohol, und wenn, dann in Maßen. An ihrem Hochzeitstag war sie allerdings vom Champagner ein bisschen angeheitert gewesen. War sie vielleicht damals auf den Geschmack gekommen?
Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr. Die Eingangstür der Villa stand immer noch offen. Beppe schlenderte mit einer Schubkarre über den Vorhof. Der junge Mann war nicht die verlässlichste Informationsquelle, aber die anderen Angestellten schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.
Zwei Minuten später saß Paolo wieder hinter dem Steuer des Ferraris. Ja, Beppe hatte die signora gesehen. Sie war sehr schnell in einem Wagen davongefahren. Nein, Mario war nicht bei ihr gewesen.
Ein eisernes Band schnürte ihm das Herz zusammen. Es war unnötig nachzusehen, welches von den vielen Fahrzeugen in der Garage sie genommen hatte. Mit einer Flasche Wein im Blut war sie nicht mal in der Lage, ein Dreirad zu lenken.
Wenn er jemals erfuhr, welcher Idiot ihr die Schlüssel gegeben hätte, würde er ihn umbringen!
Dass er keine Ahnung hatte, in welche Richtung sie gefahren war, spielte ebenfalls keine Rolle. Er würde sie finden. Er musste sie finden.
Angespannt lenkte er den Wagen bei hohem Tempo durch die Kurven. Er folgte einer Straße, die zu einem wunderschönen Aussichtspunkt führte, der bei Touristen sehr beliebt war. Nachdem er die letzte Steigung überwunden hatte, sah er sie unvermittelt an dem Geländer lehnen. Im gleichen Moment erkannte er den schnittigen Sportwagen seiner Cousine.
In Windeseile war er aus dem Ferrari gestiegen und stand neben Lily. Er griff nach ihrem Arm und wirbelte sie zu sich herum. „ Madre di Dio! Was glaubst du, was du hier tust?“
Lily schlug das Herz bis zum Hals. Sprachlos starrte sie einige Sekunden mit weit aufgerissenen Augen in seine versteinerte Miene. Sie hatte gehört, wie ein Wagen mit quietschenden Reifen angehalten hatte. Insgeheim hatte sie den Fahrer verflucht, weil er ihre Einsamkeit und Ruhe störte. Gerade hatte sie angefangen, einige Dinge klarer zu sehen.
Mühsam riss sie sich zusammen. „Auch dir einen schönen Tag“, sagte sie.
Paolo bedachte sie mit eisigem Blick. „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Sarkasmus. Mit der Menge Alkohol im Blut hätte dir wer weiß was passieren können!“
Verständnislos versuchte sie, in seinem Gesicht eine Erklärung zu finden. Wer war dieser arrogante, herrische, treulose Mann, den sie so sehr liebte? Sie musste an mangelndem gesunden Menschenverstand leiden, überlegte sie kummervoll. Dann fielen ihr seine Worte wieder ein. „Ich habe nicht getrunken“, herrschte sie ihn an. „Warum unterstellst du mir so etwas?“
Sie entwand ihm ihren Arm und rieb über die Stelle, an der seine Finger rote Abdrücke auf ihrer hellen Haut hinterlassen hatten.
„Weil ich ein einzelnes Glas und eine leere Flasche gefunden habe“, erwiderte er. „Als Beppe mir erzählt hat, dass du hinter dem Steuer eines Wagens weggefahren bist …“ Dunkle Flecken
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