Julia Extra Band 0295
würde die Geduld einer Heiligen und ein enorm dickes Fell brauchen.
Aber so viel stand fest: Eines Tages würde sich diese Frau finden. Eines Tages …
Die glänzenden Türen des Aufzugs schnitten Dans Spiegelbild in zwei Teile. Genauso fühlte er sich – innerlich zerrissen.
Er wünschte, Cal wäre jetzt bei ihm. Vor allem, weil er ihn dann zusammenschlagen könnte wegen der Gemeinheiten, die er Brooke angetan hatte. Und seinen eigenen Kindern.
Cal war nie perfekt gewesen. Das wusste Dan. Beim Kricket in der Schule hatte Cal stets eine Verletzung vorgetäuscht, wenn es danach aussah, dass sein Team verlieren würde. Lieber ließ er die anderen im Stich, als in der Verlierermannschaft zu spielen. Und so hatte er auch seine Familie hängen lassen. Das war unverzeihlich.
Dan hatte Mitleid mit Brooke. Er fühlte mit ihr. So sehr, dass es ihm körperlich wehtat. Und das beunruhigte ihn zusätzlich.
Schon immer hatte er Brooke bewundert. Sie war eine fantastische Mutter und hatte ihre beiden tollen Kinder bereits in der Ehe mehr oder weniger allein erziehen müssen. Auch Dan hatte als Kind nur seine Mutter gehabt, und deshalb wusste er, wie hart das war. Trotzdem war ihm nie klar gewesen, wie sehr er Brooke mochte .
Bis zu dem Moment, als er ihr die schlechten Nachrichten übermittelt hatte und sie vor seinen Augen ohnmächtig geworden war. Da war etwas in ihm passiert – als hätte ein kleiner Funke ein strahlendes Feuer in seinem Innern entfacht.
Unwillkürlich war er Brooke zu Hilfe geeilt und hatte sie aufgefangen. Kaum hatte er sie langsam und vorsichtig auf den Teppich gelegt, hatte er plötzlich den Wunsch verspürt, sie gleich wieder in die Arme zu nehmen.
Allein der Gedanke daran ließ sein Herz schneller klopfen. Er rief sich ihr Bild vor Augen: der hübsche blasse Hals, die üppigen Rundungen ihrer Brüste, der verführerische Streifen sonnengebräunter Haut unterhalb von ihrem Tank Top. Die blonden Locken, die über seine Arme gefallen waren. Der Duft nach Äpfeln und Sonnenschein …
Seit ihrer ersten Begegnung auf jener Grillparty, auf der Cal allen seine zukünftige Frau vorgestellt hatte, verband er Brooke mit diesem Duft. Und mit seinem besten Freund.
Vergiss nicht, dass sie Cals Frau ist, meldete sich sein Gewissen.
Cals Witwe – eine Frau, die längst nicht so unabhängig und unverletzbar ist, wie sie dir weismachen will, verbesserte ihn sein Verstand.
„Ruhig, Brauner“, hörte er Lucille sagen.
Dan drehte sich um. Seine Sekretärin nahm gerade mit ihrem dampfenden Tee hinter ihrem Schreibtisch Platz. Den Becher mit der Aufschrift „Weltbeste Sekretärin“ hatte sie ganz sicher nicht von Dan bekommen. Vor ein paar Jahren hatte sie in der Agentur als Aushilfskraft angefangen. Er konnte sich nicht erinnern, sie je fest angestellt zu haben. Aber sie war auch nie gegangen.
Verwirrt starrte er sie an. „Sprechen Sie mit mir?“
„Mit wem sonst? Kein Grund, die Stirn zu runzeln.“ Nach einem Schluck Tee klapperte Lucille fröhlich mit ihren langen Fingernägeln auf der Computertastatur los. „Ich glaube, Sie haben Chancen. Da mache ich mir keine Sorgen. Und das sollten Sie auch nicht, wenn Sie nicht auf Botoxspritzen scharf sind.“
Ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen fragte Dan: „Ich habe Chancen? Wo genau?“
Lucille hielt inne und blickte ihrem Chef furchtlos in die Augen. „Sehen Sie mich nicht so an. Ich sage, was ich denke. Das gefällt Ihnen doch so gut an mir, oder?“
„Möchten Sie damit andeuten, dass ich nicht sage, was ich denke?“
„Jedenfalls nicht so oft, wie Sie glauben. Jetzt erzählen Sie mal: Wie oft haben Sie sich die Blondine in der heißen Badewanne vorgestellt?“
Sofort hatte Dan einige saftige Antworten für Lucille parat. Doch er konnte es nicht über sich bringen und presste stattdessen hervor: „Gerade in diesem Moment können Sie sich glücklich schätzen, dass ich manchmal nicht sage, was ich denke.“
Herausfordernd lächelte Lucille ihn an und begann wieder zu tippen.
Dan trat an ihren Schreibtisch. Auf der Suche nach Staub oder Krümeln wischte er mit einem Finger darüber. Alles wäre ihm im Moment recht gewesen, um Lucille zurechtweisen zu können – aber er fand nichts. „Wissen Sie, wer diese Frau war?“
„Na sicher. Das war die Frau von diesem großen blonden Kerl. Dieser Motorradrennfahrer, der mit so einem Model an seiner Seite mit seinem Wagen in Frankreich oder wo auch immer über die Klippen geflogen ist. So wie
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