Julia Extra Band 0295
man absichtlich in Ohnmacht fiel, würde sie es jetzt gleich ausprobieren.
Stattdessen ignorierte sie ihre weichen Knie, stand auf und ging zum Fenster. Ein atemberaubender Blick über St. Kilda, einen Vorort von Melbourne, bot sich ihr. Hinter der verkehrsreichen Straße rollten ewig wiederkehrend die blauen Wellen über den strahlend weißen Sandstrand.
„Vergiss alles, was ich gerade gesagt habe“, stieß sie hervor.
Im Fenster sah Brooke sein Spiegelbild. Dan hatte sich erhoben und war am Schreibtisch stehen geblieben. „Tu das nicht, Brooke“, sagte er.
„Was soll ich nicht tun?“, fragte sie gereizt und drehte sich um. „In Panik geraten? Zusammenbrechen? Immerhin teilst du mir gerade mit, dass ich mein Haus verliere, oder nicht? Und dass ich nicht einmal genug Geld für Beaus Schule habe – selbst wenn ich mich entschließe, niemals wieder etwas zu essen.“
Am liebsten hätte sie Dan geschüttelt, weil er angesichts ihrer Katastrophe so gelassen blieb. Warum zeigte er scheinbar keinerlei Reaktion?
Und warum störte sie das überhaupt? Ohne Cal – was waren sie da überhaupt füreinander? Vielleicht sollte sie die Sache einfach abhaken, Dan die Hand schütteln und sich für immer von ihm verabschieden.
Ja, vielleicht. Andererseits hatte sie niemanden sonst. Und warum sollte sie sich wegen einer unbedeutenden peinlichen Bemerkung von Dan zurückziehen? Schließlich war er der einzige Mann, der ihr in dieser heiklen Lage helfen konnte.
„Du brauchst meine Situation nicht schönzureden, Dan. Sag mir klipp und klar, was mich erwartet. Ich werde schon damit fertig.“
Dan kniff die Augen zusammen.„Es ist nicht ganz so schlimm, wie du glaubst. Dir bleibt genug, um Beaus Schule für das nächste Jahr zu bezahlen – wenn du nichts mehr isst …“
Brooke lachte auf. „Ich nehme es zurück: Du hättest mir die Botschaft doch etwas versüßen sollen.“ Plötzlich wieder ernst, sah sie ihn eindringlich an. „Wie lange wird es wohl dauern, bis alles an die Öffentlichkeit kommt? Bis uns die ersten Reporter verfolgen und herausfinden, dass der ‚Vater des Jahres‘ nicht nur fremdgegangen ist, sondern auch seine Kinder mittellos zurückgelassen hat?“
Bei ihren Worten verzog Dan keine Miene. Zu gern hätte sie diese coole Fassade durchschaut und erfahren, was wirklich in seinem Kopf vorging.
„Nachdem sein Testament vom Gericht bestätigt wurde“, erklärte Dan, „wird die ganze Angelegenheit öffentlich zugänglich. Dir bleibt ein Tag, würde ich sagen. Zwei, wenn du Glück hast.“
Ein Tag? Verflixt. „Aber Cal ist seit beinahe drei Monaten tot. Diese Sache kann für die Leute doch keine große Neuigkeit mehr sein.“
„Du kannst dem allem nicht entfliehen, Brooke. Bis an dein Lebensende wirst du für sie Calvin Findlays Witwe sein.“
„Danke, Dan. Ein wunderbarer Trost.“
Dan zuckte die Schultern. Dennoch fühlte Brooke sich ein wenig besser, weil er ehrlich und geradeheraus war. Bei Dan wusste sie immer, woran sie war. Das gab ihr Sicherheit.
„Also, was nun?“
„Du musst das Haus verkaufen“, antwortete Dan und vermittelte ihr diesen Schlag mit derselben Gelassenheit, als bedanke er sich für eine Dinnerparty.
„Ich weiß.“
„Und du musst das Auto zurückgeben.“
„Zurückgeben? Wieso?“
Ein Muskel in Dans Gesicht zuckte. „Der Wagen ist nur geleast.“
„Natürlich, klar.“ Mit einer Hand umklammerte sie ihren Ellenbogen – und stellte sich vor, es sei Cals Hals.
„Du wirst auch einen Job brauchen.“
Einen Moment überlegte sie. „Aber Lily kommt erst im nächsten Jahr zur Schule, und ich kann Beau in den Schulferien nicht ohne Aufsicht lassen. Jedenfalls jetzt noch nicht.“ Kurz atmete sie durch und fuhr dann fort: „Der einzige richtige Job, den ich mal hatte, war in einer Bar, und das ist auch schon zehn Jahre her. Kennst du einen Arbeitgeber, der jemanden mit so einem kargen Lebenslauf einstellt?“
„Ich könnte hier eine Stelle für dich finden“, meinte Dan.
Brooke schaute ihn an. Von allem, was Dan heute von sich gegeben hatte, schockten sie diese Worte am meisten. Die Good Sports Agency war Dans Leben – Ehefrau, Geliebte, Lieblingskind. Alles zusammen.
„Und was genau könnte ich für dich tun? Mit meinem Charme dafür sorgen, dass du in der Businessklasse fliegen darfst? Butterbrote für deine Angestellten machen? Ich kann tolle vegetarische Sandwiches zubereiten. Das ist ungefähr alles, was ich in den letzten Jahren an
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