Julia Extra Band 0295
solange Jennifer March gut zu seinen Kindern war.
„Ich bringe die beiden nach Hause.“ Die Härte in seiner Stimme überraschte ihn selbst. „Sie haben schon mehr als genug für sie getan.“
„Das fällt unter Nachbarschaftshilfe“, sagte sie. „Aber ich habe den Kindern ein Versprechen gegeben. Erlauben Sie, dass ich ihnen wenigstens die Figuren zum Anmalen mitgebe?“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging zum Haus. Diesmal war ihr Gang nicht beschwingt.
So viel war sicher: Er hatte Jennifer March verärgert. Sie wollte es nur nicht zeigen, weil sie sich fremd waren.
Ja, sie war eine Fremde, die nur freundlich mit ihm gesprochen hatte. Und er hatte ihr diese Nettigkeit mit schroffen Worten vergolten. Er sah Jennifer nach und hatte das Bedürfnis, sie zurückzurufen, um sich zu entschuldigen.
Erinnerst du dich? Du hast dich immer brav entschuldigt, wenn zwischen Belinda und dir etwas nicht stimmte. Etwas anderes ist dir nicht eingefallen. Wie Frauen ticken, das ist dir ein Rätsel geblieben.
Missmutig folgte er Jennifer.
Sobald sie wieder bei den Kindern war, schien sie aufzublühen. Sie scherzte mit ihnen, während sie die Malutensilien und Knetfiguren zusammenpackte.
Hatte sie sich denn vollkommen in der Gewalt? Wie stellte sie das an? Er wäre gerne dahintergekommen, um es ihr nachzumachen. Wenn er mehr Wärme und Lustigkeit versprühte, würden seine Kinder vielleicht nicht mehr davonlaufen.
„Jetzt habt ihr alles, was ihr braucht. Aber legt eine Plastikplane unter, damit …“
„Wir sind darauf eingerichtet“, unterbrach er sie unnötig barsch. Jennifers Miene verschloss sich sofort.
„Entschuldigen Sie.“ Er seufzte. „Ich bin nervös vor Sorge.“
„Alles andere wäre auch unnatürlich.“ Sie senkte die Stimme, damit die Kinder sie nicht hörten. „Bestimmt fühlen Sie sich im Moment nicht so. Aber Sie sind ein guter Vater. Sie lieben Ihre Kinder. Das spürt man. Tim wird zurückkommen.“
„Sie wissen gar nichts. Weder was ich denke, noch was ich fühle“, brauste er auf. „Sehen Sie …“
„Es ist in Ordnung, Mr. Brannigan“, sagte sie ruhig. „Ich mag auch nicht, wenn sich andere in meine Angelegenheiten mischen. Ich habe eine Grenze überschritten. Und dafür entschuldige ich mich.“
Er nickte. Ihr Verständnis erleichterte ihn. Es tat wohler als Mitleid. Aber als er in ihre Augen sah, diese sanften, schönen, glänzenden Augen, entdeckte er darin wieder diesen versteckten Schmerz. „Zu Hause haben zu viele Menschen alles besser gewusst“, bemerkte er mit rauer Stimme.
Jennifer schwieg unerträglich lange. „Sie sind nicht der Einzige, dem es so ergeht“, flüsterte sie und wandte sich ab, bevor er Fragen stellen konnte.
Er war froh darüber. Helfen konnte er ihr ohnehin nicht. Er konnte niemandem helfen, nicht einmal seinen eigenen Kindern. „Lasst uns jetzt gehen.“
Sie nickte. „Ich halte die Augen offen. Wenn ich Tim sehe, rufe ich Sherbrooke an, in Ordnung?“
Noah hätte sich gerne bedankt. Aber er schaffte es nicht. Er stellte sich vor, wie Jennifer allein am Fenster stand und Ausschau hielt, weil sie an einem Sonntagabend nichts anders zu tun hatte. Und an anderen Abenden auch nicht.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fragte er sich, ob die Freiheit, für niemanden sorgen zu müssen, nicht vielleicht doch schwerer zu ertragen war als die Verantwortung für andere. Ließ es sich überhaupt leben ohne Kinderlärm im Haus? Lohnte es sich da überhaupt aufzustehen, zu kochen, zu putzen, zur Arbeit zu gehen? Jennifer kam ihm schrecklich einsam vor …
„Auf Wiedersehen“, sagte sie leise.
Er nahm ihre Hand. „Danke für alles, Jennifer.“
Sie antwortete nicht, aber ihre steife Haltung sprach Bände.
Sie will, dass ich meine Kinder nehme und endlich ver schwinde.
Es fiel ihm schwer, sie allein zu lassen. In diesem Haus, das für eine Familie wie geschaffen war. Kinder gehörten hierher, Gelächter und Liebe. Aber für eine alleinstehende Frau mit traurigen blauen Augen …
Und plötzlich hörte er sich sagen: „Bevor ich ins Bett gehe, setze ich mich manchmal in den Garten, genieße die Ruhe und trinke ein Glas Wein. Wenn Sie Lust haben, mir heute Abend dabei Gesellschaft zu leisten …?“
Sie wirbelte herum und sah ihn mit zornesfunkelnden Augen an. Nichts war mehr lustig an ihr, nicht einmal die Farbkleckse in ihrem Gesicht. Bevor er weitersprechen konnte, fuhr sie ihm über den Mund. „Es stimmt, Mr. Brannigan, ich weiß wirklich
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