Julia Extra Band 0295
Kinder abzuholen. Seitdem kam ihr alles verändert vor.
„Hallo!“
Seine warme dunkle Stimme trieb ihr die Hitze in die Wangen.
„Mögen Sie Weißwein?“
„Ja, lieber als roten.“
„Glück gehabt.“ Er lachte auf. „Nicht erschrecken!“
Gleich darauf flammte das Licht einer Campinglaterne auf, und sie konnte sein Gesicht erkennen.
„Bitte, machen Sie es sich bequem“, sagte er und deutete auf die ausgebreitete Decke.
Jennifer setzte sich und lugte in den kleinen Korb, den er mitgebracht hatte. „Oh, ein Nachtpicknick! So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Sie hatte das Gefühl, aus Verlegenheit gedankenloses Zeug zu plappern.
„Es gibt nur Cracker und Käse.“
„Mehr brauche ich nicht, um die Nacht zu genießen, Noah.“ Wie unter Zwang musste sie seinen Namen aussprechen. „Ist es nicht herrlich hier draußen um diese Zeit? Die Sterne leuchten, der Ozean rauscht, das Gras duftet.“
Lächelnd setzte er sich zu ihr. „Das klingt ja fast poetisch. Sie scheinen an allem die gute Seite zu sehen.“
Sie lachte leise. „Ich weiß, das nervt. Mein …“ Sie zögerte, bevor sie weitersprach. „Mein Exmann hat mich immer eine unheilbare Optimistin genannt.“ Und das war kein Kompliment gewesen.
Gewiss wusste Noah schon, dass sie geschieden war. Henry, der Mechaniker, und June, die Postbotin, hatten es ihm bestimmt erzählt.
„Zynismus wird irgendwann langweilig“, sagte Noah. „Unterschätzen Sie nicht die Gabe, glücklich zu sein.“
Sie lächelte „Danke für die Einladung übrigens.“
„Danke, dass Sie gekommen sind.“ Er erwiderte ihr Lächeln. „Ich bin gerne nachts hier draußen, und es ist schön, die Ruhe einmal in Gesellschaft zu genießen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Kinder, aber trotzdem atme ich auf, wenn sie im Bett liegen.“
„Das müssen Sie mir nicht erklären. Ich arbeite mit Kindern.“ Sie versuchte zu lachen. „Um diese Uhrzeit sitze ich auch oft draußen, allerdings auf der Veranda.“
Halt den Mund, Jennifer. Du klingst schon wieder atemlos. Was soll der Mann von dir denken?
Beiden fiel nichts Besseres ein, als zu schweigen, so sehr waren sie damit beschäftigt, ihr kleines nächtliches Picknick normal und unverfänglich aussehen zu lassen. Außerdem stand zu viel Unausgesprochenes zwischen ihnen, das sie nicht preisgeben wollten.
„Der erste Eindruck, den Sie von meiner Familie gewonnen haben, war ja nicht gerade der beste“, sagte er, als die Stille peinlich zu werden drohte. „Und das gilt vermutlich für Sie und für Ihren Uncle Joe.“
Der Cracker zwischen seinen Fingern zerbrach.
„Oh nein!“ Unwillkürlich legte sie die Hand auf seine. „Sie müssen doch gemerkt haben, wie gerne ich mit Ihren Kindern gespielt habe. Und Uncle Joe“, sie lachte auf, „er liebt es, wenn ihn jemand auf seinem Schrottplatz besucht. Ich bin froh, dass Tim sich gerade dorthin geflüchtet hat. Offenbar teilen die beiden die Leidenschaft für verrostetes Blech. Der Junge hat Uncle Joe Löcher in den Bauch gefragt. Mein Onkel sagt, Tim ist ihm immer willkommen. Und das meint er auch so.“
Noah zuckte die Schultern. „Wenigstens weiß ich jetzt, wo ich nach Tim suchen muss.“
„Wäre das denn so schlimm?“
Noah schenkte Wein ein. „Nein, solange Tim Ihren Onkel nicht stört.“
Wahrscheinlich war das keine ganz ehrliche Antwort, aber sie wollte nicht wieder in ihn dringen wie vorhin. „Seit dem Tod seiner Frau ist Uncle Joe ziemlich einsam. Meine Cousins sind wegen der Arbeit nach Sydney und Brisbane gezogen. Mehr als zwei Mal im Jahr sieht er seine Enkel nicht. Ich besuche ihn zwar einmal in der Woche, aber mir fehlt das Interesse an seinem Schrottplatz, fürchte ich.“ Sie lächelte. „Vermutlich freut er sich schon auf Tims nächsten Besuch.“
„Der Junge wahrscheinlich auch. Auf dem Schrottplatz gibt es viele Verstecke.“
„Und alle sind sicher“, sagte Jennifer leise, um ihm die Sorge zu nehmen. Dabei wusste sie, dass es nicht in ihrer Macht stand. „Uncle Joe wird aufpassen, dass Tim sich nicht verletzt.“
„Sicher.“ Er reichte ihr ein Glas. „Waren Sie immer schon Tagesmutter?“
Sie konnte verstehen, dass er das Thema wechseln wollte. „Gleich nach der Highschool habe ich mich qualifiziert, auch als Krankenschwester. Ich wollte immer einen Kindergarten eröffnen, aber die Miete, die Versicherungs- und Personalkosten wären in Newcastle zu hoch gewesen.“
Ah, da kam sie also her. Noah wunderte sich
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