Julia Extra Band 0295
darüber, denn Jennifer wirkte so, als sei sie hier voll und ganz verwurzelt. „Sind Sie dort auch aufgewachsen?“
„Ja, geboren und aufgewachsen. Meine Eltern leben noch immer in Swansea am Meer.“
„Und meine in Sydney“, sagte er. Genauso wie Belindas El tern. Er und Belinda waren in eine Schule gegangen, in der gleichen Straße aufgewachsen und seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr ein Paar.
An Belinda hatte er eigentlich nicht denken wollen. Es führte zu nichts und erschöpft ihn nur. „Meine Eltern reisen zurzeit durchs Land. Wie viele Kinder betreuen Sie denn?
Und warum haben Sie keine eigenen?
„Mir werden täglich drei oder vier Kinder gebracht. Bis zu sechs dürfte ich aufnehmen. Aber das wäre mir zu viel, ich arbeite ja allein. Außerdem gibt es nicht so viele Kinder in Hinchliff, deren Mütter ganztags arbeiten.“ Wieder lachte Jennifer ihr helles, melodisches Lachen.
Wie die kleinen purpurnen Sternchenblüten kam sie ihm vor, die sich im Wind wiegten und mit ihrer Schönheit ganz unerwartet Rasenflächen schmückten. Jennifer war ihm vorhin wie die Verkörperung einer Sommernacht erschienen, als sie im weißen Kleid so leichtfüßig auf ihn zukam, als ginge sie auf Mondstrahlen.
Sie faszinierte ihn. Sie zog ihn an. Er sehnte sich danach einzutauchen in ihre Zufriedenheit und stille Lebensfreude, um für immer neben ihr zu sitzen, ihr Gesicht zu betrachten, ihre Hand auf seiner zu spüren …
Dieser Moment sollte ewig dauern. Zu lange hatte er die Berührung einer Frau entbehrt.
Und Jennifer wollte ihn. Er konnte es an ihren blauen Augen ablesen, auch an ihrem schön geschwungenen Mund. Wenn sie sich zufällig näherkamen, wurde ihre Stimme atemlos. Wenn sie sich zufällig berührten, zitterte sie. Auch ihr Kleid verriet es ihm, der zarte Vanillegeruch ihrer Haut und die Haarsträhnchen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten.
Ja, Jennifer begehrte ihn und schien nicht zu wissen, wie sie es verbergen sollte.
Aus diesem gegenseitigen Begehren durfte nichts entstehen, das wusste Noah. Die Verpflichtungen einer Beziehung waren das Letzte, was er jetzt brauchte. Und seine Kinder würden keine neue Frau in seinem Leben akzeptieren. Tim schon gar nicht.
Es war also gefährlich und dumm, mit Jennifer zu flirten. Und trotzdem tat er es. Er drehte seine Hand um, sodass ihre Handflächen nun aufeinanderlagen. Ihre Haut fühlte sich weich und warm an. „Dann sind Sie also umgezogen, um hier als Tagesmutter zu arbeiten?“
Sie senkte den Blick, schaute auf die sich berührenden Hände. Dann bewegte sie die Finger. Nur ein klein wenig. Es war die sanfteste Liebkosung, die er je genossen hatte. Sie fühlte sich süß und gefährlich an und verdrehte ihm vollkommen den Kopf.
Er lauschte Jennifers leisen atemlosen Stimme, die ihm mehr verriet als ihre Worte. „Ich brauchte eine neue Aufgabe nach der Scheidung von Mark. Und Uncle Joe brauchte familiären Beistand. Er ist zwar körperlich und geistig fit, aber er wird älter. Als ich ihn besucht habe, habe ich herausgefunden, dass es hier keine Tagesmutter gab. Also habe ich die Chance genutzt.“
Er erinnerte sich nicht mehr an seine Frage und wusste mit der Antwort deshalb nichts anzufangen. Ihn beschäftigte das Wunder, das sich gerade vollzog. Er staunte über sein klopfendes Herz und konnte sich an Jennifer nicht sattsehen. Sie befeuchtete ihre Lippen, blickte auf seinen Mund, dann wieder in seine Augen. Es machte ihn trunken vor Verlangen.
Wie sollte er mit dieser Aufwallung der Begierde umgehen? Er war nie mit einer anderen Frau als Belinda zusammen gewesen. Ihm fehlte Erfahrung.
Jennifer ging es offenbar genauso.
Und so saßen sie da, genossen die zarte Berührung ihrer Hände und wussten nicht, was sie tun sollten.
Unsinn! Sie wussten es sehr wohl. Nur wie sie mit den Konsequenzen umgehen sollten, wenn sie ihrem Verlangen nachgaben, das wussten sie nicht.
„Was tun Sie, außer Ihre Kinder großzuziehen?“ Ihre Stimme klang erstickt.
Er musste sich zwingen zu antworten. „Ich bin Architekt und Bauunternehmer. In Sydney hatte ich eine Firma. Ich habe Einfamilienhäuser entworfen und gebaut.“ Er verschwieg, dass er alles verkaufen musste, um seine Schulden zu begleichen. Es war nicht Belindas Schuld. Er hätte ihr Leiden erkennen müssen. Doch er war mit seinem Unternehmen beschäftigt gewesen und hatte Belinda die Sorge für die Familie überlassen. Natürlich hatte er bemerkt, dass sie begann, mehr Geld auszugeben. Aber ihnen
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