Julia Extra Band 0295
Unterhaltung schien eine Ewigkeit zurückzuliegen.
Reese rieb ihre Arme durch den wollenen Rollkragenpullover hindurch, den sie trug, weil sie plötzlich fröstelte. Und nicht nur das. Ihr war hundeelend. Sie hatte Angst und war furchtbar verletzt. Das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, war das Schaben und Gleiten der leeren Schubläden, die Duncan mit seinem Knie wieder schloss.
Die Tage und Wochen ihres ständigen kalten Kriegs verliefen in ihrem Gedächtnis zu einem wirren Chaos. Doch selbst jetzt, während ihr Ehemann seinen Auszug vorbereitete und ihr Herz in tausend Stücke zu zerbrechen schien, verbot Reese der Stolz, Duncan die Hand zu reichen und Frieden zu schließen. Sie konnte dem Mann nicht verzeihen.
Er hatte eine Affäre.
Natürlich hatte er es zunächst abgestritten und beleidigt und verletzt getan, dass sie solch eine Beschuldigung überhaupt aussprechen könnte. Das zweite, dritte und vierte Mal hatte er ebenfalls heftig protestiert. Doch heute Abend war er erneut spät nach Hause gekommen, und sie hatte ihn mit ihrem Verdacht konfrontiert, dass seine Freundlichkeit gegenüber der aufreizenden neuen Vizepräsidentin seiner Bank weit über das Berufliche oder rein Platonische hinausginge. Und diesmal hatte er ihre Beschuldigung der Untreue nicht zurückgewiesen. Nein. Er hatte sie eiskalt angesehen, und in seiner Miene spiegelte sich eine seltsame Mischung aus Verärgerung und so etwas wie Niederlage.
Streite es ab, hatte sie stumm gefleht.
Doch er hatte es nicht getan. Stattdessen war er auf den Dachboden gestiegen, hatte seine Koffer heruntergeholt und zu packen begonnen. Für Reese war alles klar: Er hatte eine andere Frau gefunden.
Duncan ging jetzt an ihr vorüber und betrat den geräumigen begehbaren Kleiderschrank. Als er kurz darauf wieder erschien, hielt er einen Armvoll Designerhemden in Händen und stopfte sie achtlos in alle freien Ecken des zweiten Koffers.
„Die Sachen werden völlig zerknittern“, sagte Reese automatisch.
Duncan hielt inne, drehte sich zu ihr und sah sie an. Seine blauen Augen, die einst vor Schalk oder Glück geleuchtet hatten, blickten kalt und teilnahmslos.
„Darüber machst du dir jetzt Sorgen, Reese? Du sorgst dich wegen meiner verdammten Kleidung?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern fügte hinzu: „Nun, das wird mir keine schlaflosen Nächte bereiten. Dort, wo ich hingehe, gibt es garantiert ein Bügeleisen.“
„Das von Breanna Devin?“ Reese spuckte den Namen der Vizepräsidentin wie ein faules Stück Obst aus.
Aufmerksam sah sie ihren Ehemann an und glaubte einen Moment, einen gespannten Zug um sein Kinn wahrzunehmen. Doch er beantwortete ihre Frage nicht, sondern verschwand zum zweiten Mal im begehbaren Schrank. Als er diesmal wieder erschien, hielt er ein halbes Dutzend Geschäftsanzüge in den Armen und stopfte sie in Kleidersäcke.
„Ich verstehe durchaus, was dich an dieser Frau reizt .Deren Eierstöcke sind bestimmt perfekt“, murmelte Reese.
Duncan fuhr zu ihr herum. „Meine Güte! Kannst du an nichts anderes denken? Seit sechs Jahren hast du nur Babys, Babys, Babys im Kopf!“
„Du möchtest doch auch ein Baby.“
„Ich möchte …“ Seine Stimme erstarb, und er schüttelte den Kopf. Das ärgerliche Funkeln in seinen Augen verlosch für einen Moment. War es Resignation, was an dessen Stelle trat? „Es spielt keine Rolle, was ich möchte.“
„Du möchtest ein leibliches Kind“, ergänzte Reese dennoch. „Du möchtest ein Baby, das deine Gene besitzt.“ Ihre Stimme brach trotz bester Absichten, und sie fügte hinzu: „Ein Baby, das ich dir nicht schenken kann.“
„Reese.“
Er hob eine Hand, als wollte er nach ihr greifen. Doch er ließ sie wieder fallen, denn Reese fuhr fort: „Aber jetzt hast du ja jemanden gefunden, der es kann.“
Vielleicht hätte sie darauf gefasst sein müssen, dass Duncan sich anderweitig umsah. Medizinisch lag das Problem bei ihr. Sie war der Grund, dass sie keine Kinder hatten. Und sie war auch der Grund, weshalb sie es nicht einmal mehr versuchten.
Duncan hatte ihr seinen Standpunkt ziemlich deutlich klargemacht, dass sie ihre Hormonbehandlung fortsetzen sollte, obwohl die beiden ersten Versuche zu einer Fehlgeburt geführt hatten. Sie waren beide am Boden zerstört gewesen, doch er hatte sich nicht beirren lassen. Nach Auskunft ihres Frauenarztes war ein Spezialist in Chicago bei schwierigen Fällen wie ihrem erfolgreich gewesen. Duncan hatte sie angefleht, den
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