Julia Extra Band 0295
er eine Ehe wie seine Eltern führen wollen, eine Beziehung, angefüllt mit kaltem Schweigen, unterdrückten Emotionen und abwägenden Blicken. Wie war es möglich, dass er genau dort gelandet war?
Sein Vater saß wie üblich in seinem Ledersessel nahe dem Kamin. Sein zerfurchtes Gesicht war halb hinter einer Zeitung verborgen, die zweifellos auf der Börsenseite aufgeschlagen war. Seine Mutter hatte auf einer Couch mit Kamelrückenlehne neben einer Sammlervitrine Platz genommen. Kristallfigurinen fingen darin das Deckenlicht ein und sorgten für das einzig Spielerische in der sonst eher bedrückenden Einrichtung. Das gedämpfte Dekor war eine weitere Verbeugung vor der Tradition.
„Leuchtende Farben sind der Mode unterworfen, mein Lieber“, hatte Louise Newcastle beim Anblick der Terrakottawände in Duncans und Reeses Wohnzimmer erklärt.
„Oh, das ist ja eine Überraschung!“ Louise legte die Zeitschrift beiseite, in der sie gelesen hatte, und lächelte freundlich. Doch ihre Stimme enthielt einen leichten Tadel, als sie hinzufügte: „Du warst über zwei Wochen nicht hier, Duncan.“
Nicht, seit er zu Hause ausgezogen war. Sich nicht blicken zu lassen hatte er für die beste Maßnahme gehalten, um zu verhindern, dass seine Mutter seine Eheprobleme erriet. Sie hatte Reese nie besonders gemocht, und er hatte nicht die Absicht, ihre unverhohlene Meinung zu bestärken, dass er lieber eine Frau aus seinen Kreisen hätte heiraten sollen. Seine Eltern stammten aus derselben Gesellschaftsschicht. Das war offensichtlich auch keine Garantie für Glück und Harmonie.
„Ich hatte viel zu tun“, antwortete Duncan. „Die Arbeit.“
Er machte eine abwehrende Handbewegung und setzte sich in einen Sessel zwischen seinen Eltern. Das Mittelfeld. Diese Position hatte er in seiner Kindheit abgesteckt. Doch sie war mit zunehmendem Alter nicht bequemer geworden.
Sein Vater nickte verständnisvoll. Er faltete seine Zeitung zusammen und legte sie beiseite. Grayson Newcastle kannte sich mit langen Stunden im Büro und im Klub aus. Gab es eine bessere Möglichkeit, seine Eheprobleme zu ignorieren, als sich von seiner Frau fernzuhalten?
Wie der Vater, so der Sohn, dachte Duncan jetzt. Hatte er nicht genau dies die letzten Monate getan? Verdächtigte Reese ihn nicht deshalb, eine Affäre zu haben?
Louise blickte in Richtung Tür. „Ist Reese nicht mitgekommen?“, fragte sie höflich und war kein bisschen enttäuscht, als Duncan erklärte, dass er allein wäre.
„Ich nehme an, sie ist ebenfalls stark beschäftigt.“ Ihre Lippen wurden schmal.
Duncan atmete langsam zwischen den Zähnen aus und war plötzlich furchtbar müde. Er stand nicht nur zwischen seinen Eltern, sondern fand sich ständig zwischen seiner Ehefrau und seiner Mutter wieder. Immer wieder musste er das Verhalten der einen Frau der anderen erklären.
„Möchtest du auch einen Drink, mein Sohn?“ Grayson Newcastle stand auf, um sein Glas erneut mit Wodka-Martini zu füllen, den er in einem Krug vorbereitet hatte.
Oh ja, nichts lieber als das! Und weil es so war, schüttelte Duncan den Kopf. Alkohol würde seine Mitteilung nicht einfacher machen angesichts der unverhohlenen Ansicht seiner Mutter über Adoptionen.
„Ehrlich gesagt, ich kann nicht lange bleiben. Ich … ich bin nur gekommen, um euch eine lang erwartete gute Nachricht persönlich zu überbringen.“
Das seltsame Lächeln, das seine Worte begleitete, war kein bisschen gestellt. Im Gegenteil, es war völlig aufrichtig, denn plötzlich tauchte das Bild mit den winzigen geballten Fäusten und den großen Augen aus seinem Innern auf.
Augen, die aussahen wie Reeses.
Seine Mutter stellte ihr Martiniglas auf den niedrigen Couchtisch, löste ihre Beine und setzte die Füße nebeneinander. Nervös beugte sie sich vor. „Aha. Hat es etwas mit einem Baby zu tun?“
„Ja, in der Tat.“
Das erste Lächeln milderte ihre strengen Gesichtszüge. „Ist Reese endlich vernünftig geworden und bereit, nach Chicago zu fahren?“
Duncan schüttelte den Kopf. „Wir werden nicht nach Chicago fahren.“
Seine Mutter seufzte dramatisch und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. „Ich werde nie verstehen, weshalb sie so eigensinnig ist. Vielleicht gibt es ja weitere Behandlungsmethoden. Weshalb sich nicht wenigstens erkundigen?“
„Sie hat die Nase endgültig voll“, erklärte Duncan geradeheraus und stutzte plötzlich.
Wie oft hatte Reese ihm diese Antwort gegeben? Doch wie seine Mutter hatte er sie
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