Julia Extra Band 0295
sehen.“
Duncan lehnte sich an den Türpfosten. Reese merkte, dass ihm etwas durch den Kopf ging, obwohl er äußerlich völlig entspannt war. Nach einen Weile sagte er: „Ich habe meine Eltern angerufen.“
„Ach ja?“
„Sie sollten wissen, dass das Baby da ist.“
Reese hatte ihre Eltern ebenfalls angerufen. Sie bezweifelte nicht, dass die Reaktion der Newcastles das genaue Gegenteil des Überschwangs gewesen war, den Maureen und Wally Deerfield an den Tag gelegt hatten. Würde ihre Familie in der Nähe wohnen und nicht in Boston, wären alle längst herübergekommen, um ihnen zu gratulieren und ihre Hilfe anzubieten.
„Und was haben deine Eltern gesagt?“
„Sie möchten vorbeikommen und Daniel sehen.“
Reese schnaubte verächtlich. „Ihn inspizieren, meinst du wohl.“
Duncans Mund wurde hart, und er nickte.
„Wann? Sag bitte nicht heute Abend.“
Reese wusste, dass es unhöflich war. Doch ein Besuch von Duncans Mutter war so ziemlich das Letzte, was sie Daniel an seinem ersten Abend in seinem neuen Heim antun wollte. Louise Newcastle würde garantiert an allem etwas auszusetzen haben, angefangen von der Art und Weise, wie das Kinderzimmer eingerichtet war, bis zu Reeses Kleidung. Wehe, sie wagte es, auch einen Makel bei dem Baby zu finden. Ein einziges negatives Wort, und die Frau würde hinausfliegen.
„Nein, morgen. Ich dachte, nachdem dies Daniels erster Abend bei uns ist, sollten …“ Er räusperte sich verlegen. „… sollten nur wir um ihn herum sein.“
Nur wir. Die Worte schwebten zwischen ihnen und klangen wie eine Herausforderung – oder wie ein Versprechen.
Reese lächelte matt, vor schlechtem Gewissen und einem anderen, sanfteren Gefühl, das noch beunruhigender war.
„Ehrlich gesagt, ich habe Sara eingeladen. Sie dürfte ungefähr in einer Stunde hier sein. Sie hat ein Geschenk für Daniel und kann es gar nicht erwarten, ihn zu sehen und auf den Arm zu nehmen.“
„Aha.“
„Tut mir leid.“
„Nein, das geht schon in Ordnung.“ Duncan löste sich von dem Türpfosten und winkte ab. „Es war sowieso nur eine Ausrede, meine Eltern heute nicht sehen zu müssen. Ich bin nicht in der Stimmung, noch eine weitere Show abzuliefern.“
Sara war in ihre Eheprobleme eingeweiht und kannte die Bedingungen, unter denen er nach Hause zurückgekehrt war. Bei ihr brauchte er nicht den stolzen Vater zu spielen. Trotzdem war Reese aus einem unerfindlichen Grund enttäuscht über seine Antwort.
„Fällt es dir – so schwer?“, fragte sie leise.
„Was?“
„Fällt es dir so schwer, so zu tun, als wolltest du Daniel auch? Als würdest du ihn ebenfalls lieben?“
Ihr Blick glitt zu dem Bettchen, in dem das Baby friedlich schlief. Daniel war so hübsch, einfach vollkommen. Schon sein Anblick raubte ihr den Atem. Wie war es möglich, dass Duncan ihn ansah und nichts empfand?
„Reese …“
Als sie sich zu ihm drehte, hatte er die Augen geschlossen und schüttelte den Kopf. War er – ja, was? Verärgert? Beleidigt? Gekränkt? Traurig? Offensichtlich konnte sie seine Gedanken nicht mehr lesen.
„Tut mir leid, dass ich so direkt war. Ich begreife einfach nicht, wie …“
„Nein, es fällt mir nicht schwer, okay? Das wolltest du doch hören, nicht wahr? Es fällt mir nicht schwer.“
Diesmal entdeckte sie tatsächlich Ärger in seiner Stimme. Und noch etwas … Schon bei der Möglichkeit schluckte sie trocken. „Duncan“, begann sie. Doch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte er sich abgewandt und ging davon.
Der erste Abend verlief so, wie Maggie es vorausgesagt hatte. Daniel erwachte, nachdem er zwei Stunden geschlafen hatte, und blieb die nächsten Stunden putzmunter. Er wedelte mit seinen kleinen Armen und Beinen, während Sara und Reese am Rand der Wolldecke saßen, die sie auf dem Boden des Kinderzimmers ausgebreitet hatten, und ihn hingerissen beobachteten. Nachdem er gefüttert worden war, sein Bäuerchen gemacht hatte und frische Windeln trug, sank er kurz nach neun erneut in einen tiefen Schlaf.
Duncan hatte Sara nur höflich begrüßt und beschäftigte sich seitdem anderswo. Wenigstens war er nicht weggegangen, stellte Reese beruhigt fest. Allerdings hatte er zahlreiche Telefongespräche geführt. Auch eines mit Breanna? Er hatte die Frau seit Tagen nicht gesehen.
Ob sie sich irrte, was die beiden betraf? Duncan hatte von Anfang an behauptet, dass nichts an der Sache wäre. Nein, schalt Reese ihr hoffnungsvolles Herz und erinnerte sich an
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