Julia Extra Band 0295
gehen“, sagte Duncan.
Doch beide rührten sich nicht. Im Zimmer hinter ihnen ächzte das Baby und machte ein leises saugendes Geräusch, bevor es sich wieder beruhigte.
„Ich glaube nicht, dass ich jetzt schlafen kann“, seufzte Reese.
„Ich auch nicht.“
Die Luft um sie herum war erfüllt von Erinnerungen, wie sie früher schlaflose Nächte verbracht hatten. Reeses Gesicht wurde warm, und ihre Knie wurden weich.
„Ich werde mir eine Tasse Kamillentee machen“, erklärte sie.
Obwohl Duncan nie ein Teetrinker gewesen war, fragte er: „Soll ich dir dabei Gesellschaft leisten?“
Sie war viel zu verletzlich und zu aufgewühlt für seinen Vorschlag. Sag Nein, forderte die innere Stimme sie auf. Doch sie nickte instinktiv. „Ja, das wäre nett.“
Während sie den Tee bereitete, machte Duncan Feuer im Kamin. Er hatte inzwischen etwas angezogen und trug eine zerknitterte Kakihose und das gestreifte Polohemd, das sie ihm zum vorletzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Die Szene, die sie vorfand, als sie mit zwei dampfenden Keramikbechern das Zimmer betrat, war ausgesprochen häuslich und sehr intim. Der flackernde Schein der Flammen im Kamin sorgte für das einzige Licht.
Reese reichte Duncan einen Becher, und sie setzten sich an die beiden Enden des Sofas. Sie schob ihre nackten Füße unter den Morgenrock, den sie rasch über ihren Pyjama gezogen hatte. Duncan streckte sich lässig aus, legte seine Füße auf den Couchtisch und lehnte den Kopf an das Rückenkissen des Sofas.
Reese hatte das Babyfon aus ihrem Schlafzimmer mitgebracht und an eine Steckdose geschlossen, damit sie hören konnten, falls Daniel zu weinen begann. Obwohl sie weit vom Kinderzimmer entfernt waren, flüsterten sie.
Plötzlich ächzte und rauschte es aus dem Lautsprecher. Beide richteten sich automatisch auf und stellten die Füße auf den Boden. Dann war alles wieder still. Sie lächelten einander etwas einfältig an und nahmen ihre vorige Haltung wieder ein.
„Daniel hat noch kein einziges Mal richtig geweint“, sagte Reese. „Weder bei unseren Besuchen in der Agentur noch später in Maggies Haus.“ Sie trank einen Schluck Tee und fuhr fort. „Ich finde, das ist ein gutes Zeichen.“
„Er hat keinen Grund zum Weinen. Du nimmst ihn beim ersten Piepser auf und fütterst ihn oder wechselst seine Windeln“, stellte Duncan fest.
„Ich möchte nicht, dass er weint.“ Er sollte glücklich sein in seinem neuen Heim, bei seiner neuen Mutter. Vor allem sollte er sich niemals fragen müssen, ob es ihm vielleicht besser ergangen wäre, wenn seine leibliche Mutter jemand anders für ihn ausgewählt hätte.
„Er wird manchmal weinen, Reese. Alle Babys tun das.“
„Ich weiß.“
„Es bedeutet nicht, dass du eine schlechte Mutter bist. Oder dass es ein Fehler war, ihn dir zu geben.“
Reese sah Duncan scharf an. Wie war es möglich, dass er immer noch mühelos ihre Gedanken lesen konnte, während sie ziemliche Schwierigkeiten hatte, ihn zu durchschauen?
„Ich hatte nicht erwartet, dass ich mich so fühlen würde“, gab sie zu.
„Wie fühlen?“
Sie trank einen weiteren Schluck Tee. „Als würde mir alles über den Kopf wachsen.“
„Das stimmt doch nicht!“
„Ich dachte, ich wäre wirklich gut vorbereitet. Doch als Maggie heute ging, geriet ich richtig in Panik“, erklärte sie seufzend. „Am liebsten wäre ich auf die Veranda gelaufen und hätte sie gebeten, wieder ins Haus zu kommen.“
„Ich weiß.“
Duncan wusste es? „War das so offensichtlich?“
Er schüttelte den Kopf. „Nur für mich.“
Sie sahen sich in die Augen, und Reese schluckte trocken. Sie löste eine Hand von ihrem Teebecher und schob sie auf das Kissen, das Duncan und sie trennte. Er streckte den Arm aus und legte seine warmen Finger darauf.
„Was weiß ich denn über Babys?“, fragte sie nach einer Weile.
Er drückte ihre Hand. „Du weißt, was alle neuen Mütter wissen.“
„Also mehr oder weniger nichts.“
„Was erwartest du denn? Eine Geburt bedeutet nicht, dass man automatisch alles weiß. Ich glaube, Elternschaft bedeutet so etwas wie Learning by doing .“
„Ausbildung am Arbeitsplatz?“
„Ja.“
„Aber … Herrje, Daniels Überleben hängt von mir ab.“
„Und deshalb hat er nichts zu befürchten. Du kommst fabelhaft zurecht.“ Duncan drückte erneut aufmunternd ihre Hand. „Eine Menge Leute sind erheblich schlechter vorbereitet als du und längst nicht so gewissenhaft. Trotzdem gelingt es ihnen,
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