Julia Extra Band 0295
seine langen Abende im Büro und an seine Zurückhaltung, wenn er zu Hause war. Unmittelbar vor Weihnachten hatte er aufgehört, seine Unschuld zu beteuern, und stattdessen begonnen, im Gästezimmer zu übernachten. Doch selbst wenn sie dasselbe Bett geteilt hätte, wäre nichts passiert. Sie hätten Rücken an Rücken gelegen und sorgfältig darauf geachtet, dass sie sich nicht berührten.
Nachdem Sara gegangen war, räumte Reese die Küche auf und brachte das Wohnzimmer in Ordnung. Sie schüttelte die Kissen auf und staubte die Tischplatten ab. Vor Saras Ankunft war sie nicht dazu gekommen. Sie wusste, dass die Freundin Verständnis dafür haben würde. Bei Duncans Eltern war das anders. Sie würden morgen erwarten, dass man ihnen die Snacks und Drinks in einem makellosen Haus servierte.
Die Newcastles hatten Küchenpersonal und außerdem eine Haushälterin, die bei ihnen wohnte, was angesichts des riesigen Anwesens am Lakeshore Drive sinnvoll war. Sie, Reese, war nicht so pedantisch oder neurotisch wie Louise, und ihr Haus war so klein, dass sie die Zimmer selber halbwegs in Ordnung halten konnte. Allerdings konnte Duncan ebenfalls mit Staubsauger und Staubwedel umgehen – nachdem Reese es ihm beigebracht hatte. Seine Mutter war darüber entsetzt gewesen.
Lächelnd sah Reese sich im Wohnzimmer um. Sie liebte dieses Haus. Es hatte so viel Charakter und Charme. Außerdem bewahrte es eine erstaunliche Anzahl guter Erinnerungen. Während sie mit dem Staubtuch über den Couchtisch strich, fiel ihr ein, wie Duncan sie über die Schwelle getragen hatte. Die Geste war so bezaubernd, so ritterlich und unwahrscheinlich romantisch gewesen – bis zu dem Augenblick, als sie mit dem Kopf an den Türpfosten gestoßen war. Duncan war total zerknirscht gewesen.
„Küss mich, dann fühle ich mich gleich wieder besser“, hatte sie ihn sinnlich aufgefordert.
Duncan hatte die Tür geschlossen und nicht nur ihre verletzte Schläfe geküsst. Er hatte noch eine ganz andere Art von schmerzlichem Ziehen gleich auf dem Dielenboden gestillt. Beiden hatte die harte Unterlage nichts ausgemacht.
Reese atmete heftig aus und polierte den Tisch etwas schwungvoller. Doch aus einem seltsamen Grund kehrten die Erinnerungen immer wieder zurück, jede schärfer als die vorige. Wie könnte sie vergessen haben, dass Duncan und sie sich praktisch in jedem Zimmer des Hauses geliebt hatten?
Zu Beginn ihrer Ehe war ihre Liebe spontan gewesen, abenteuerlich und ungeheuer befriedigend. Manchmal war alles rasch vorüber gewesen, und sie hatten sich erhitzt, aber lächelnd irgendwo zwischen ihren zerwühlten Kleidern wiedergefunden. Zu anderen Zeiten hatten sie es langsamer angehen lassen. Sie hatten keine Eile gehabt, zum Höhepunkt zu gelangen, denn sie waren gewiss gewesen, dass die höchste Erfüllung kommen und Geduld alles noch schöner machen würde.
„Hm“, murmelte sie und schloss die Augen.
Sie fächelte gerade ihr erhitztes Gesicht, als Duncan das Wohnzimmer betrat.
„Geht es dir gut?“, fragte er besorgt.
Reese riss erschrocken die Augen auf und spürte, dass ihr Gesicht noch röter wurde. „Ja, n-natürlich. Ich erledige nur etwas Hausarbeit.“
Er blickte sich um. „Das Zimmer ist völlig in Ordnung. Reiß dir wegen meiner Mutter bloß kein Bein aus.“
Reese rückte die Lampe wieder an ihren Platz und richtete die Kunstbücher auf dem kleinen Tisch neben dem Sofa aus. Sie konnte Duncan jetzt unmöglich ansehen. „Du weißt, wie sie ist.“
„Ja, und du weißt es auch.“
Allerdings wusste Reese es. Die Frau war reizbar, dominant und unmöglich zufriedenzustellen. Und das waren noch ihre besseren Eigenschaften.
„Hier musste sowieso Staub gewischt werden“, sagte sie und ärgerte sich, dass sie auch nach sieben Jahren noch versuchte, die Anerkennung ihrer Schwiegermutter zu gewinnen.
„Wir können uns eine Haushilfe leisten.“
Duncan hatte diesen Vorschlag schon früher gemacht und erklärt, dass eine Putzfrau sie beide entlasten würde. Er konnte Hausarbeit nicht leiden. Doch Reese war der Ansicht gewesen, dass diese Tätigkeit ihm helfen würde, die kleinen Leute besser zu verstehen, die in seine Bank kamen, um einen Kredit zu beantragen oder ihr bescheidenes Gehalt abzuheben.
„Nein, ich möchte mein Haus selber in Ordnung halten.“
„Aber jetzt, wo das Baby da ist …“
„Ich werde mir später keine Putzhilfe leisten können, Duncan. Mein Gehalt erlaubt es nicht“, erklärte sie ungerührt.
„Dann
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