Julia Extra Band 0295
freundlich, aber distanziert wie jeden Vater ihrer Tageskinder, bot ihm Kaffee an wie jeder Mutter, die ihre Kinder morgens zu ihr brachte. Er kam sich onkelhaft vor.
Ein Splitter bohrte sich durch seine Arbeitshandschuhe in seinen Daumen. Noah stieß einen lauten Fluch aus.
„Noah?“ Jennifers Stimme klang besorgt.
„Alles in Ordnung.“
„Hier ist Ihr Kaffee.“
Er schaute auf. Jennifers Lächeln wirkte ruhig und gefasst. Sie würde gewiss nicht aus der Rolle fallen. Als er die Hand ausstreckte, stellte sie den Becher auf den Boden. Wie ein zurechtgewiesener Schuljunge fühlte er sich.
„Jennifer …“ Irgendetwas zwang ihn, ihren Namen auszusprechen. Das Bedürfnis, sie zu berühren, wurde übermächtig.
Abrupt wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. „Ist es Ihnen recht, wenn ich von vier bis zum Dunkelwerden weitermache? Ich muss die Zeit, in der Tim in der Schule ist, für Erledigungen nutzen.“
„Natürlich.“ Ihr Blick fiel auf seinen rechten Handschuh, aus dem der Splitter herausguckte. „Ich werde Tim bitten, Ihnen eine Pinzette und Desinfektionsmittel zu bringen.“
„Tut mir leid. Es muss so sein, Jennifer“, stöhnte er. Er hasste diese Distanz zwischen ihnen.
„Ich habe mich nicht beschwert.“ Sie mied seinen Blick. „Und jetzt muss ich Tim ablösen. Er passt auf die Kleinen auf.“
„Nein, er beobachtet uns durchs Fenster“, sagte Noah ruhig.
Sie beging nicht den Fehler, dorthin zu schauen. „Dann kann er ja beruhigt sein, oder?“
Noah streifte den linken Handschuh ab und zog den Splitter aus dem rechten Daumen. Hoffentlich ging Jennifer schnell wieder ins Haus, bevor er etwas Unüberlegtes tat.
„Es geht nicht nur um Tim und Sie.“
Alarmiert schaute er auf. Sie stand da mit geballter rechter Faust. Lose Haarsträhnchen tanzten im Morgenwind um ihr Gesicht, ihre Wangen flammten, und ihre Augen sprühten. „Wie meinen Sie das?“, presste er hervor.
Sie strich sich eine Strähne hinter das Ohr. „Sie sind Vater von drei meiner Tageskinder, und es geht Sie eigentlich nichts an, dass ich mich in Sie verliebt habe.“
Wumm!
Alles war umsonst gewesen. Die schlaflosen Nächte, die Angst, die Selbstdisziplin. Vernichtet von der Wahrheit. Jennifer hatte sie ausgesprochen, einfach so. Ohne zu sagen, was sie darüber dachte und was sie sich wünschte. Warum er gegen die Wahrheit rebellierte, wusste er nicht. Er wollte Jennifer an sich ziehen, um ihr zu beweisen, dass sie log.
Doch eine Bewegung am Fenster hielt ihn davon ab.
„Warum erzählen Sie mir das, wenn es mich nichts angeht?“, fragte er wütend. Die Mauer, die er zwischen sich und ihr errichtet hatte, durfte auf keinen Fall bröckeln.
Sie zog eine Augenbraue hoch und betrachtete ihn. „Hören Sie auf, sich zu entschuldigen. Ich habe meine eigenen Gründe, auf Liebe zu verzichten. Keine Sorge, ich werde Ihnen nicht zu nahetreten.“
Sie trat ihm bereits zu nahe. Schon durch ihr bloßes Dasein, ihre Schönheit, ihre Grazie. Sie drängte sich ihm geradezu auf.
„Mein Schulbus kommt gleich.“
Tim hatte das Fenster geöffnet. Was hatte er alles mit angehört?
„Mach das Fenster zu, Tim. Wenn du wissen willst, worüber wir uns unterhalten, komm raus und stell dich zu uns.“
„Ja, Dad. – Jen?“ Sein Sohn schaute arglos zu der Frau, die ihm das Kochen beibrachte, mit ihm spielte, ihn mit seinem Lieblingsessen versorgte und keine begehrlichen Blicke auf seinen Vater warf. „Die Kleinen sehen Sesamstraße. Darf ich jetzt gehen?“
„Aber natürlich, Tim. Danke für deine Hilfe.“
Sie klang genauso warm wie Tim. Der Junge mochte sie, Cilla und Rowdy beteten sie sogar geradezu an. Jennifer liebte sie alle drei.
Noah war der Einzige, der ausgeschlossen war.
Er wagte nicht mehr, sie anzuschauen. „Danke, ich brauche keine Pinzette mehr, der Splitter ist draußen.“
Sie antwortete nicht und ging zurück ins Haus.
„Du liebe Zeit!“ So wie Kate, die letzte Mutter, die ihr Kind abholte, hatten an diesem Nachmittag alle reagiert und dabei Noah angestarrt, als wäre er vom Himmel gefallen.
Er schleppte schwere Holzbalken von seinem Grundstück zu Jennifers Haus. Sein braungebrannter nackter Oberkörper und die Arme glänzten vor Schweiß. Die hellen Strähnen in seinen braunen Haaren leuchteten in der Nachmittagssonne.
„Das ist ja ein Bild von einem Mann“, murmelte Kate und konnte die Augen nicht abwenden. „Wie halten Sie das aus, ihn den ganzen Tag anzuschauen, ohne dabei verrückt zu
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