Julia Extra Band 0295
ersten Augenblick an hatte der Kleine ihr sein Vertrauen geschenkt. „Jenny, ich bin da. Freust du dich?“
„Ja, sehr!“ Sie nahm ihn auf den Arm und lachte.
„Machst du mir Toast mit was drauf?“, fragte der Kleine, obwohl er bestimmt schon Frühstück von seinem Vater bekommen hatte.
Sie strich ihm über das Haar, hob Cilla auf ihre andere Hüfte und gab ihr einen Kuss, bevor sie antwortete. „Gleich, mein Liebling.“
Nur wenn es ums Essen ging, machte der Jüngste seinem Spitznamen Ehre. Tim hatte ihr erzählt, dass Rowdy ein lautes, forderndes Baby gewesen war und Noah ihn deshalb so nannte. Oft fragte sich Jennifer, warum der Kleine so anspruchslos geworden war. Entsprach es seiner Natur, oder steckte er zurück, weil Tim und Cilla mehr Unterstützung brauchten als er? Er machte den Eindruck eines glücklichen Kindes. Doch vorsichtshalber behielt Jennifer ihn stets mit im Auge.
Tim kam in die Küche.
„Und was ist mit dir? Möchtest du einen Toast mit gebackenen Bohnen und Käse?“ Das mochte er immer, wenn er nicht gerade wütend war.
Der Junge nickte. „Danke.“
Mit mehr als einem zaghaften Laut wagte Cilla nicht, auf sich aufmerksam zu machen. Jennifer lächelte sie an und verbarg ihre Traurigkeit darüber, dass die Kleine auch nach sechs Wochen Fürsorge keine Bitte äußerte. „Möchtest du Toast mit Schokoladenaufstrich und zerdrückter Banane?“ Das zufriedene Strahlen des Mädchens entschädigte sie.
In dem Moment klopfte Noah an die Hintertür. Heute war sein erster Arbeitstag an der Veranda. „Guten Morgen, Jennifer.“ Das klang höflich und zurückhaltend.
„Guten Morgen, Noah.“ Sie rang sich ein harmloses Lächeln ab, um Tim nicht misstrauisch zu machen.
„Der Kaffee ist noch heiß, möchten Sie einen Becher?“, rief sie ihm nach.
Er drehte sich kurz um. „Ja, gerne.“
Tim beobachtete sie scharf. Sie gab Cilla einen Kuss und setzte sie ab, um Rowdy in den Kinderstuhl zu heben. „Ich kümmere mich erst ums Essen“, sagte sie.
Als sei er irgendein Vater, der seine Kinder gebracht hatte, oder ein normaler Handwerker, wandte sie sich ab. War das wirklich der Mann, mit dem sie vor sechs Wochen nachts auf einer Decke gesessen hatte? Seine Hand unter ihrer?
Warum fühlte sie sich von diesem Mann immer noch berührt? Er hatte sie seit der ersten Nacht kein einziges Mal mehr angefasst. Woher nahm er die Macht, mit Blicken oder Worten ihre Gefühle in Aufruhr zu versetzen?
„Jenny? Hier, die gebackenen Bohnen.“ Noahs kleiner Aufpasser stand vor ihr, abwartend, auf der Hut.
Sie zwinkerte Tim zu. „Danke, du bist wirklich aufmerksam.“ Als sie ihm die Dose abnahm, spürte sie wieder seinen Hunger nach Nähe, aber auch seine Angst und Scheu davor. Der arme kleine Kerl brauchte eine Mutter, mehr noch als Cilla und Rowdy. Aber er ließ nicht zu, wonach er sich sehnte. Niemals hätte sie ihn umarmen dürfen, denn er empfand sie als Bedrohung. Wahrscheinlich war seine Mutter nur noch eine blasse Erinnerung und sein Treue zu ihr das einzig Reale, was ihm von Belinda geblieben war.
Schicksalsergeben bereitete sie für die Kinder das zweite Frühstück zu. Sie war eine Tagesmutter, nichts als eine Tagesmutter …
Jennifer ließ ihn auf den Kaffee lange warten.
Noah stieß Schimpfwörter aus, die er sonst nicht in den Mund nahm, wenn Kinder in den der Nähe waren. Der Abriss der alten Veranda strengte ihn an. Doch er war froh darüber. Bis zur Erschöpfung wollte er arbeiten, damit das quälende Verlangen und das sehnsüchtige Ziehen in seiner Herzgegend aufhörten.
Immer wenn er Jennifer sah, ihr schönes Gesicht, ihre schlanke Figur, schien sein Körper zu vibrieren vor Begehren. Seine Kinder wurden von ihr umsorgt und geküsste. Doch er musste sich innerlich von ihr distanzieren. Der Schmerz darüber verließ ihn nicht.
Nacht für Nacht durchlebte er wieder den Abend, an dem sie gemeinsam auf der Decke unter den Sternen gesessen hatten. Passiert war dabei fast nichts, und doch war so vieles zwischen ihnen geschehen. Er erinnerte sich an alles, ihr weißes fließendes Kleid, das Glück, mit ihr sprechen zu dürfen, die Berührung ihrer Hand, ihr Lächeln, den verlangenden Ausdruck ihrer Augen … und schreckte schweißgebadet hoch.
Tim schlief seit jede Nacht durch. Offenbar quälten ihn keine Albträume mehr. Doch tagsüber war er immer noch schweigsam und beobachtete seinen Vater.
Wie es Jennifer erging, wusste Noah nicht. Sie wirkte ernst, behandelte ihn
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