Julia Extra Band 0295
Muster?“
Als sie die Decke auf ihrem Schoß genauer betrachtete, schoss ihr das Blut in die Wangen. Ineinandergeschlungene Kreise, Rosenblüten mit goldenen Herzen.
Sie trat lieber die Flucht nach vorne an, ehe er weiterfragte. „Es ist ein traditionelles Muster und seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sehr beliebt. Da es jetzt Herbst ist, habe ich …“
Ausflüchte! Nichts als Ausflüchte!
Das Muster war wirklich traditionell und beliebt: für Hochzeitsdecken. Und was die Farben anging, Ahorn, Karamell und Goldbraun, so waren es die Farben von Noahs Augen, seinem Haar und seiner Haut.
Bis jetzt hatte sie es nicht einmal bemerkt. Beim Nähen musste ihr Unterbewusstsein mitgearbeitet haben. Die Decke verriet, wonach sie sich sehnte.
Mit ihren sinnlichen Begierden wusste sie umzugehen. Aber was sie vor sich selbst zu verheimlichen suchte, war die Sehnsucht nach Eheleben und Babys, die sie nicht haben durfte …
Hör auf zu träumen. Welcher Mann will eine traumatisierte Frau, die keine Kinder bekommen darf?
Ehefrau und Mutter, das war es, was sie immer schon hatte werden wollen. Sie sehnte sich danach, schwanger zu werden, zu stillen, einem Kind vorzusingen und ihm Geschichten zu erzählen. Sie sehnte sich nach allem, was zum Großziehen eines Kindes dazugehörte, selbst nach den Sorgen, die Teenager einer Mutter bereiten.
Gut, ein Teil war ihr vergönnt gewesen. Aber Cody hatte den Preis dafür gezahlt.
„Jennifer, stimmt etwas nicht? Macht Ihnen die Hitze zu schaffen?“
Wenn Noah so zu ihr sprach, vergaß sie alles: die Vergangenheit, die Trauer, alles außer ihrem Verlangen nach ihm.
Du darfst ihn nicht haben. Nicht einmal eine kleine Zärtlich keit von ihm.
Eine Schweißperle rann ihren Nacken hinab. Wie erbärmlich sie sich fühlte! Sie sprang auf die Füße und achtete nicht auf die Decke, die zu Boden fiel. „Macht Platz, Kinder!“, schrie sie und rannte zur Wasserrutsche.
Die Kinder lachten und sprangen zur Seite.
Noah hob die Decke auf und beobachtete, wie Jennifer Anlauf nahm, auf ihrem Allerwertesten landete und mit den Beinen in der Luft die Matte hinabsauste. Vergnügt und bar jeder Anmut und Würde. Er lächelte in sich hinein. Es war ihre Art, sich abzukühlen. Er wurde seine Hitze nicht so einfach los.
Sie landete am Ende der Rutschbahn als Knäuel aus Armen und Beinen. Noah lachte. Jennifer machte ihn glücklich. Sie hatte sein Herz und seine Seele erobert, weil sie seine Kinder liebte und ihnen guttat. Jennifer …
Jetzt rappelte sie sich auf. „Und jetzt alle zusammen. Wir machen einen Zug.“
Noah stockte der Atem. Ihr dünnes weißes Shirt war nass und enthüllte alles, jede Kurve ihres Oberkörpers, jede Sommersprosse ihrer hellen Haut. Sie strahlte und warf unbekümmert den Zopf auf den Rücken.
Wenn er sie doch berühren dürfte! Wenn er frei wäre …
Die Kinder kletterten den kleinen Hang hinauf. Oben stellten sie sich der Größe nach hin. Rowdy vorneweg, dann Cilla und Tim. Als Letzte Jennifer. Sie legte die Hände auf Tims Hüften und rief: „Achtung, fertig, los!“
Weil die Kinder und sie lachen mussten, hielten sie sich nicht lange auf den Beinen.
Noah konnte es nicht länger ertragen. Zu lange war er allein gewesen. Er wollte teilhaben an dem Vergnügen.
„Lasst uns einen längeren Zug machen“, rief er und lief den Hügel hinauf. „Ich bin als Erster oben.“
Cilla und Tim rannten mit ihm um die Wette. Er tat so, als stolperte er über etwas, so wie Jennifer, wenn sie die beiden gewinnen ließ, und landete im matschigen Gras. „Verflixt!“, rief er.
Als er den Kopf hob, lachten die Kinder über sein schmutziges Gesicht.
„Aufstehen, Mr. Tollpatsch. Sie halten den Zug auf.“
Jennifer stand über ihm und drohte wie eine strenge Schulmeisterin mit erhobenem Zeigefinger, obwohl sie eher wie ein nasses und schmutziges Schulkind aussah. Der Widerspruch entzückte ihn. Er musste aufpassen, dass er ihr nicht mit Haut und Haaren verfiel.
Noah griff nach ihrer Hand, um sich daran hochzuziehen, doch Jennifer entzog sie ihm. Er fiel zurück in den Matsch. „Na so was“, sagte sie zu den Kindern.
„Daddy macht Quatsch“, rief Rowdy.
„Daddy ist albern.“ Cilla kicherte.
„Er ist ein Tollpatsch“, schrie Tim. Offenbar hatte er kein Problem damit, dass sein Vater Jennifer anfasste, solange sie ihn in den Dreck fallen ließ.
Noah schaute auf. Jennifer zwinkerte ihm zu.
„Das werden Sie mir büßen, Frau Nachbarin“, krächzte
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