Julia Extra Band 0295
werden?“
„Pst“, machte Jennifer und drehte sich nach den Kindern um.
Als endlich alle Tageskinder abgeholt worden waren, atmete sie auf. Das freundliche Abwehren all der neugierigen Fragen hatte sie angestrengt. Auch jetzt, da sie wieder allein war, wagte sie kaum mehr als ein paar flüchtige Blicke aus dem Fenster. Noahs Stärke und seine männliche Schönheit raubten ihr den Atem.
Weil sich seine Kinder allein beschäftigten, griff sie zur Nadel und arbeitete an der Decke weiter. Nähen war das Einzige, was sie wirklich beruhigte. Das hatte sie während der vielen Krankenhausaufenthalte ihres Sohnes gelernt. Es beschäftigte ihre Hände und beruhigte ihre Gedanken. Nur diesmal schien es nicht zu klappen. Die Versuchung dort draußen war offenbar zu groß.
Entschlossen legte sie die Decke wieder zur Seite. „Hat jemand Lust, mit mir Verstecken zu spielen, bevor es dunkel wird?“, rief sie aus dem Fenster.
„Ja“, antworteten Cilla und Rowdy von der hinteren Veranda.
Tim schaute sich einen lustigen Film im Fernsehen an. Auf keinen Fall durfte er merken, dass sie nur seinetwegen so oft Versteckspielen vorschlug. Vielleicht verringerte es seinen Drang wegzulaufen und sich zu verkriechen. „Wenn du hier sitzen bleibst, werde ich dich sofort finden“, sagte sie zu ihm.
Tim grinste und rannte hinaus.
Laut und langsam zählte sie bis zwanzig, ging dann vor die Tür und rief: „Ich komme und hole euch.“ Gleich würde Rowdy vor Aufregung glucksen und sein Versteck verraten.
Sie ließ immer Tim oder Cilla gewinnen. Dem Kleinen bedeuteten Siege nichts. Er ging lieber gemeinsam mit Jennifer auf Suche, und einmal hatte er gesagt: „Tim mag gerne gewinnen.“ Das hatte Jennifer mit Ehrfurcht erfüllt. So ein kleiner Dreikäsehoch zeigte Verständnis für seinen Bruder. Das war ungewöhnlich. Noah musste ein guter Vater sein. Auch dass Cilla und Tim so schnell Vertrauen zu ihr gefasst hatten, musste an Noahs Erziehung liegen. Merkwürdig, dass er an sich zweifelte.
„Ich komme und hole euch“, rief sie wieder. Und da hörte sie auch schon das Glucksen, auf das sie gewartet hatte. Es kam von der Vorderseite des Hauses und wurde mit jedem Schritt, den sie tat, lauter. Sie stöberte Rowdy hinter den Gardenienbüschen auf, wo er sich am liebsten versteckte. „Hab ich dich!“, rief sie und kitzelte ihn am Bauch.
Rowdy platzte fast vor Lachen. Als er sich beruhigt hatte, fasste er nach ihrer Hand. „Jetzt suchen wir die anderen, Jenny“, flüsterte er laut. Sie rannten dorthin, wo die Kinder gerne Fangen spielten, und schrien: „Wir kommen und holen euch.“ Dabei lief ihnen Noah über den Weg.
Sein Lächeln raubte ihr den Atem. Jennifer geriet ins Stolpern und verlor das Gleichgewicht. Instinktiv fasste sie nach Rowdy, sodass er auf ihrem Bauch landete, als sie ins Gras fiel.
Der Kleine fand das lustig. „Hast du das aus Quatsch gemacht, Jenny?“
Sie lachte. „Nein, ich war ungeschickt,“
„He, der Tollpatsch bin ich.“ Noahs Stimme klang nah … Er war nah … zu nah. Sie wandte, immer noch lachend, den Kopf und sah zu ihm hoch.
Er grinste und reichte ihr die Hände. „Kommt mir irgendwie bekannt vor“, bemerkte er, als er ihr auf die Beine geholfen hatte. „Es klappt auch ohne Kochtöpfe.“
Und ohne T-Shirt.
Sie stand jetzt so dicht vor ihm, dass ihr der Duft seiner Haut in die Nase stieg, eine Mischung aus Erde, Gras und Holz.
Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und ihr Atem ging schwer. Langsam hob sie den Blick und schaute Noah in die Augen.
Verwundbar fühlte sie sich dabei. Tief verwundbar, denn sie vermochte ihre Leidenschaft nicht zu verbergen, obwohl sie ihr nicht nachgab. Sie kämpfte gegen ihr Verlangen, sie versuchte, vernünftig zu sein. Noah schien es ebenso zu gehen. Die Sehnsucht schien die Luft zwischen ihnen zu erfüllen. Das war schön und schmerzlich zugleich. Sie hob die Hände …
„Gehen wir jetzt Timmy und Cilla suchen?“
Rowdys Frage brachte Jennifer wieder zur Besinnung. Sie lächelte den Kleinen an und nickte.
Noah zog sich wortlos zurück, ein Lächeln auf den Lippen.
Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Rowdy sie nicht unterbrochen hätte. Und wie gut, dass Tim diesen magischen Moment zwischen seinem Vater und ihr nicht beobachtet hatte.
5. KAPITEL
Als Tim aus der Schule kam, erkannte Noah sofort am Verhalten seines Sohnes, was geschehen war. „Dad, du hast wieder so einen dicken Brief bekommen.“
Die Kinder ließen ihn jedes Mal allein, wenn er
Weitere Kostenlose Bücher