Julia Extra Band 0295
Stirn und zupfte an dem Haar über seinem Kragen. „Ich … ich weiß, dass ich letzte Woche keine große Hilfe für dich war.“
„Große Hilfe?“ Sie schüttelte den Kopf angesichts seiner Untertreibung. „Du lässt dich überhaupt nicht blicken, wenn du zu Hause bist.“ Sie deutete auf ihre Müslischale. „Wir essen nicht einmal gemeinsam. Würde ich beim Spülen nicht auf dein Geschirr stoßen, müsste ich mich fragen, ob du wieder ausgezogen bist.“
Rote Flecken bildeten sich auf seinen Wangen. „Tut mir leid.“
„Nein.“ Sie stieß heftig die Luft aus. „Mir tut meine Bemerkung leid. Sie war unfair. Windelnwechseln und Ähnliches gehören nicht zu unserer Vereinbarung.“
„Unsere Vereinbarung.“ Duncan verzog den Mund.
Reese wechselte vorsichtshalber das Thema. „Jenny hat heute angerufen. Sie kommt nächsten Mittwoch zu einem Hausbesuch. Kannst du um fünf Uhr hier sein?“
„Sicher.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Sie wollte wissen, wie wir zurechtkommen. Ob wir uns langsam an unsere Elternrolle gewöhnen.“
Er zog die Brauen in die Höhe. „Und was hast du gesagt?“
„Ich habe gesagt, dass wir eine einzige glückliche Familie sind und dass alles fabelhaft ist.“
„Ja, einfach fabelhaft.“ Der Spott in seiner Stimme stand ihrem in nichts nach.
Reese beschloss, erneut das Thema zu wechseln. „Wusstest du, dass deine Mutter sich nach deiner Geburt noch weitere Kinder gewünscht hatte?“
Duncan runzelte die Stirn. „Nein. Ich … ich dachte immer …“ Er beendete seinen Satz nicht. „Woher weißt du das?“
„Sie erwähnte es heute.“
„Sie hat es dir selber gesagt?“
„Ja. Wegen einiger weiterer Bemerkungen von ihr habe ich sogar das Gefühl, dass dein Vater und sie an eine Adoption gedacht haben.“
„Meine Eltern?“, fragte er ungläubig.
Sie nickte. „Mir scheint, die beiden wurden gedrängt, diese Absicht nicht weiterzuverfolgen.“
Duncan strich nachdenklich mit den Fingern durch sein Haar. „Das kann ich mir gut vorstellen. Meine beiden Großmütter konnten sehr engstirnig sein.“
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“
Diesmal war er es, der das Thema wechselte. „Meine Mutter hatte bei unserem Telefongespräch gar nicht erwähnt, dass sie dir die Rassel gebracht hat. Sie ist ein altes Familienerbstück, musst du wissen. Eine Tradition der Newcastles.“
„Ich werde sie nicht behalten, falls dir das Sorgen bereitet.“
„Ich bin eher besorgt, dass meine Mutter sich zu sehr an das Baby gewöhnen könnte“, fuhr er sie an. „Du glaubst zwar, dass sie ein Herz aus Stein besitzt. Ich versichere dir jedoch, dass es sie umbrächte, wenn sie das Baby lieb gewinnen würde und feststellen müsste, dass sie niemals Teil seines Lebens sein kann. Dass sie Daniel nicht aufwachsen sehen wird.“
Reese dachte an die Verletzlichkeit, die sie unter der dominierenden Fassade ihrer Schwiegermutter bemerkt hatte, als Louise ihre eigenen Fruchtbarkeitsprobleme erwähnte.
„Ich möchte nicht, dass deine Mutter verletzt wird.“
„Und was ist mit mir?“, fragte er ruhig und sah in diesem Moment ebenfalls verletzlich aus. „Mein Herz ist auch nicht aus Stein, wie du weißt.“
Ihr Puls begann zu pochen. Was hatten diese Worte zu bedeuten? „Duncan?“
„Wie du sagtest: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Er schüttelte den Kopf, und alle Spuren der Verletzlichkeit verschwanden aus seinem Gesicht. „Gute Nacht.“
Mit dem Sportteil in der Hand ging er in Richtung Arbeitszimmer. Kurz darauf hörte Reese, wie die schwere Eichentür in dem stillen Haus zufiel und das Schloss leise klickte.
Duncan saß auf dem zweisitzigen Sofa in seinem Arbeitszimmer und wartete darauf, dass die Zeit verging und er schlafen gehen konnte. Die letzte Woche war eine einzige Qual für ihn gewesen. Jede Stunde im Büro hatte er sich nach Hause gesehnt. Reese hatte ihm gefehlt. Schlimmer noch, das Baby hatte ihm gefehlt. Wohl ein Dutzend Mal hatte er jeden Tag den Hörer aufgenommen und nach Ausreden gesucht, um seine Frau anzurufen. Sollte er ihr auf der Heimfahrt etwas vom Supermarkt mitbringen? War alles in Ordnung? Wie ging es Daniel heute?
Natürlich wusste er, dass weder Reese noch das Baby viel Schlaf bekommen hatten. Er hatte ebenfalls kaum geschlafen, sondern wach im Gästezimmer gelegen und gehört, wie sie mit Daniel auf dem Flur auf und ab lief. Doch er war nicht herausgekommen, um ihr zu helfen. Und er hatte sie auch nicht vom Büro angerufen.
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