Julia Extra Band 0295
gehören. Es war, als ob sie zum zweiten Mal ihre Familie verlöre.
Bei Jennifer brannte noch Licht. Sie wanderte in ihrem Haus umher. Noah konnte es von seiner Veranda aus sehen. Er saß dort, weil er sich ohne die Kinder schrecklich einsam fühlte. Nur Jennifer konnte seine innere Leere füllen, und sei es, indem er sie von ferne beobachtete. Dafür hasste er sich, auch weil er ihr wehgetan hatte.
Doch Selbstvorwürfe hatten keinen Sinn. Es war vorbei, es musste vorbei sein. Jennifer hatte ihre Entscheidung getroffen, und er hatte die Konsequenzen daraus gezogen. Es war seine Pflicht, die Kinder vor Enttäuschungen zu schützen. Und sich selbst musste er verbieten, das zu tun, wonach er sich sehnte: hinüberzugehen, Jennifer in die Arme zu nehmen und sie zu küssen.
Die Würfel waren gefallen, er musste sich damit abfinden. Wie sollte ihm das gelingen? Er liebte diese Frau. Sein Körper und seine Seele gehörten ihr. Doch sie wollte ihn nicht. Nicht für den Rest des Lebens. Etwas anderes hatte er ihr nicht anzubieten. Er war nun einmal so, wie er war. Und sie hatte ihn abgelehnt.
Nein, Brannigan , sie will dich. Sie hat nur furchtbare Angst, nicht zu genügen. Sie erkennt ihren inneren Reichtum nicht, weil sie auf eigene Kinder verzichten muss.
Die plötzliche Erkenntnis versetzte ihn nicht einmal in Staunen. Vielleicht hatte er immer geahnt, dass Jennifer glaubte, ihre tiefe Sehnsucht nach einem eigenen Kind stehe der Beziehung zu seinen Kindern im Wege. Er wusste es besser als sie. Ihre Liebe war stark genug. Tim, Cilla und Rowdy würden nicht zu kurz kommen. Wenn Jennifer sich mit dem Verlust ihres Kindes abfand, eröffneten sich ihr neue Perspektiven. Davon wollte und musste er sie doch überzeugen können …
Im Nu stand er vor ihrer Tür.
Sie hatte Songs von Elvis Presley aufgelegt. Auf der Veranda brannten Duftkerzen. Alles wirkte so, als erwartete sie einen Liebhaber. Doch durch die Fensterscheibe sah er, wie sie über den Küchenausguss gebeugt schluchzte, so verzweifelt, dass ihr Oberkörper bebte.
„Jennifer!“
Sie wirbelte herum, wischte mit dem Handrücken die Tränen fort und lag schon in seinen Armen. „Weine nicht, Liebling“, murmelte Noah. „Das kann ich nicht ertragen.“
Sie warf die Arme um seine Taille und presste sich an ihn. „Noah, Noah!“, flüsterte sie und bekam einen Schluckauf.
Er hob ihr Kinn, küsste ihre nassen Wangen, die verweinten Augen, ihren geschwollenen Mund. „Schon gut, schon gut.“ Wieder beugte er sich über ihre Lippen, um den Kummer fortzuküssen und sie zu trösten. „Ich bin ja da, Jennifer, ich bin ja da.“
Da umschlang sie seinen Nacken und küsste ihn so innig, als wollte sie ein ewiges Versprechen geben. Danach suchten ihre verweinten Augen so besorgt seinen Blick, als fürchtete sie, er könne sich in Luft auflösen, sobald sie die Lider wieder schlösse.
Nie war sie ihm schöner erschienen. Er wusste nun, was er ihr bedeutete. Sie war wund vor Abschiedsschmerz und konnte es nicht verbergen.
Wenn ihre Beziehung scheiterte, dann gewiss nicht an mangelnder Liebe.
Der Zeitpunkt, sie zu drängen, war ungünstig. Doch er musste es wagen. „Ich habe heute die Scheidungspapiere abgeschickt.“
Sie machte sich steif.
„Das löst natürlich noch nicht unser Problem“, fügte er rasch hinzu. „Wir brauchen gemeinsame Zeit, Jennifer. Seit wir uns kennen, waren wir immer mit Alltäglichkeiten und den Kindern beschäftigt. Wir brauchen Entspannung.“
„Ja, das stimmt“, flüsterte sie.
„Wir haben jetzt eine ganze Woche für uns. Nur du und ich. Lass uns diese Zeit auskosten. Keine Verpflichtungen, keine Vorsätze. Wir tun nur das, wozu wir Lust haben.“
Unsicher sah sie ihn an.
„Nein, das meine ich nicht.“ Er lächelte. „Ich möchte dich zum Essen ausführen. Ausflüge mit dir machen. Mit dir Motorrad fahren.“
„Ich wusste nicht einmal, dass du eins hast.“ Ihre Augen leuchteten auf.
„Es hat bisher im Schuppen gestanden. Hast du Angst, Motorrad zu fahren?“
„Keine Ahnung. Ich würde es gern ausprobieren.“
„Wir wär’s mit morgen?“ Er versuchte, seine Vorfreude zu zügeln. „Wir könnten zum Steilabbruch im Nationalpark fahren. Freitags hast du keine Tageskinder, und meine sind verreist. Wollen wir den ganzen Tag zusammen verbringen?“
Sie strahlte. „Ja, gern.“
„Ich möchte einmal an nichts anderes denken als an dich und mich.“
„Eine Woche lang. Bis die Kinder zurückkommen“, flüsterte
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