Julia Extra Band 0295
auf und begann, das schmutzige Geschirr abzuräumen. Zu ihrer Überraschung half er ihr. Er trug Teller und Schüsseln zur Anrichte, während sie das übrig gebliebene Essen verpackte und in den Kühlschrank stellte. Innerhalb weniger Minuten war das Geschirr gespült und der Tisch abgeräumt und sauber.
Marilee langte an Justins Oberkörper vorbei, um das Geschirrtuch aufzuhängen, und spürte seinen warmen Atem auf ihrer Wange. Obwohl ihr Herz einen Sprung machte, ließ sie sich nichts anmerken.
Während sie sich die Hände an der Hose abwischte, drehte sie sich um und bemerkte, dass Justin sie anstarrte.
„Was ist?“
„Sie.“
„Was soll mit mir sein?“
„Ich weiß es noch nicht“, erwiderte er rätselhaft.
Mit einem Mal huschte ein Schatten über sein Gesicht, und er schob die Hände in die Hosentaschen. Es wirkte, als hätte er mehr gesagt, als er hätte sagen sollen.
Das Licht flackerte kurz auf, und im nächsten Moment war alles dunkel.
„Schiet!“, fluchte Marilee. „Rühren Sie sich nicht von der Stelle. Ich hole ein paar Kerzen.“
Justin schmunzelte. Schiet? Er lachte leise.
„Das ist nicht lustig“, hörte er sie sagen.
„Ich lache nicht.“
Er hörte, wie sie ungläubig schnaubte und dann ein Wort hervorstieß, das viel harscher als Schiet klang.
„Das habe ich jetzt mitbekommen“, bemerkte er.
„Sagen Sie nicht, dass es das erste Mal ist, dass Sie das hören.“
„Nein.“
„Gut. Dann kann ich heute Nacht mit der Gewissheit einschlafen, dass ich nicht an Ihrem moralischen Verfall schuld bin.“
Er lachte auf. Es ließ sich nicht leugnen, dass Marilee wirklich witzig war und dass es Spaß machte, seine Zeit mit ihr zu verbringen.
Plötzlich wurde ein Streichholz entflammt, und kurz darauf flackerte eine dicke rote Kerze.
„Ich habe sie für Weihnachten aufbewahrt“, erklärte Marilee und stellte sie auf den Küchentisch, bevor sie in den Schubladen nach weiteren Kerzen suchte.
Bald war die Küche in das sanfte warme Licht unzähliger Kerzen getaucht, die im Zimmer verteilt standen.
„Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen, aber es ist zu früh, um schon ins Bett zu gehen. Und fernzusehen fällt ja wohl aus. Also … wie wäre es, wenn wir ein Spiel spielen?“
Er lächelte. Ein Spiel? „Das letzte Spiel, das ich gespielt habe, war Flaschendrehen, wenn ich mich recht entsinne.“
Sie rollte mit den Augen und deutete auf den Tisch.
„Setzen Sie sich. Ich bin gleich wieder da.“
Sie nahm eine Taschenlampe und verließ das Zimmer.
Draußen konnte Justin den Wind unter dem Dachvorsprung des kleinen Hauses pfeifen hören. Dennoch spürte er ein Gefühl der Sicherheit und des Wohlbehagens, das er so nie zuvor empfunden hatte. Bevor er das Gefühl näher ergründen konnte, war Marilee zurück.
„Monopoly“, sagte sie, stellte den Spielkarton auf den Tisch und nahm den Deckel ab.
2. KAPITEL
Das Kerzenlicht flackerte und warf Schatten auf Marilees Gesicht, als sie würfelte.
„Vier!“, rief sie. „Ich habe eine Vier!“
„Sie haben außerdem jede verdammte Straße bis auf die Schlossallee“, ergänzte Justin leicht gereizt, während sie vier Schritte vorwärtsging.
„Ich habe gewonnen! Ich habe gewonnen!“, schrie sie, sprang von ihrem Stuhl auf, riss jubelnd die Arme in die Luft und führte einen kleinen Freudentanz auf.
Justin schmunzelte. Er hasste es zu verlieren. Doch die unverhohlene Freude auf ihrem Gesicht zu sehen war einfach zu schön, um beleidigt zu sein.
„Ja, das haben Sie.“
Marilee drehte sich um. Noch immer lachend beugte sie sich nun vor und stützte die Hände auf die Tischplatte.
„Ich habe Sie vernichtet!“, sagte sie triumphierend.
Justin ertappte sich dabei, wie er ihre Lippen betrachtete, die nur Zentimeter von seinem Mund entfernt waren.
Und plötzlich reagierte er aus einem Impuls heraus, den er schon den ganzen Abend über verspürt hatte.
Im Bruchteil einer Sekunde war er aufgestanden, beugte sich vor und verschloss ihre Lippen mit seinem Mund. Er küsste sie voller Leidenschaft – bevor sie überhaupt wusste, wie ihr geschah.
Marilee atmete scharf ein, als sie seinen Mund auf ihrem spürte, und stöhnte leise auf. Alle Träume, in denen er die Hauptrolle gespielt hatte, alle Fantasien, die er beherrscht hatte, waren nichts im Vergleich zu diesem stürmischen Kuss. Als er mit seiner Hand durch ihr Haar fuhr, ihren Hinterkopf umschloss und sie zu sich heranzog, ließ sie es bereitwillig geschehen.
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