Julia Extra Band 0295
blendendes Aussehen hat.“
Zwischen Eitelkeit und Hysterie schwankend, war Judith hochmütig genug, um einen Augenblick zu zögern. Damit gab sie Justin die ersehnte Gelegenheit, endlich das Wort ergreifen zu können.
„Marilee hat eine lange, anstrengende Fahrt hinter sich. Wie du dich sicherlich noch erinnern wirst, Mutter, brauchen Frauen in dieser Phase der Schwangerschaft besonders viel Ruhe.“
Die Erwähnung des Wortes „Schwangerschaft“ war der Tropfen, der das Fass bei Judith zum Überlaufen brachte. Mit gesenkter Stimme, damit ihre Gäste sie nicht hören konnten, deutete sie auf Marilees Bauch, als wäre er etwas Abstoßendes.
„Das ist abscheulich, und das weißt du auch. Ich kann nicht glauben, dass du uns das angetan hast! Mein Gott, Justin Wade! Sie ist praktisch eine Fremde!“
Marilee war es leid, dass man über sie sprach, als wäre sie nicht anwesend. Ihr Rücken begann zu schmerzen, und ihre Füße taten höllisch weh. Sie sah von Justin zu seiner Mutter und verspürte mit einem Mal den unbändigen Wunsch, laut loszulachen. Unvermittelt prustete sie los.
Judith erstarrte. Lachen war die Reaktion, die sie am allerwenigsten erwartet hätte.
„Finden Sie das hier wirklich lustig?“, zischte sie und funkelte Marilee an.
„Nun … ja … ein bisschen. Vor allem Ihre Bemerkung, dass wir Fremde sind.“ Sie tätschelte ihren Bauch, um es noch deutlicher zu machen. „Wir haben einander ziemlich genau kennengelernt, als wir letztes Jahr gemeinsam eingeschneit waren. Und wenn Sie glauben, dass ich wegen einer Beleidigung den Kopf einziehe und wegrenne, haben Sie sich getäuscht.“
Ohne darauf zu achten, ob Justin ihr folgte, ging Marilee durch die Halle. Sie hoffte einfach, den richtigen Weg genommen zu haben.
Justin eilte ihr hinterher, legte ihr einen Arm um die Schultern und flüsterte: „Gut gemacht!“
Judith blieb allein zurück. Sie konnte nichts anderes tun, als zu ihren Gästen zurückzukehren, bevor die das Drama mitbekamen. Die Neuigkeiten würden noch schnell genug die Runde machen – wenn ihr nicht irgendetwas einfiel, um diese Frau loszuwerden.
Später am Abend stellte Marilee fest, dass es wesentlich angenehmer war, Justins Vater Gavin kennenzulernen. Als sie sich gemeinsam zum Abendessen an den Tisch setzten, war er offensichtlich bereits über die Situation aufgeklärt worden und klug genug, den Mund zu halten. Er war sehr sympathisch, manchmal sogar charmant. Und Marilee begann zu glauben, dass ihr Aufenthalt hier möglicherweise doch nicht so furchtbar werden würde.
Gerade als das Abendessen sich dem Ende zuneigte, bekam Justin einen Telefonanruf. Er entschuldigte sich, erhob sich und ließ die drei allein.
Judith funkelte Marilee schweigend an, murmelte schließlich irgendetwas über Kopfschmerzen und zog sich zurück, sodass Marilee mit ihrem Schwiegervater allein war.
Mit einem Lächeln auf den Lippen stand er auf. „Interessieren Sie sich für Erstausgaben?“, fragte er. „Ich habe ein paar sehr schöne Exemplare in meiner Bibliothek, wenn Sie einmal schauen wollen?“
Dankbar für diese ganz normale Unterhaltung über ein unverfängliches Thema, erhob Marilee sich ebenfalls. „Ich würde sie mir furchtbar gerne ansehen“, erwiderte sie. „Lesen ist eine meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen.“
„Oh, ich lese diese Ausgaben nicht“, entgegnete Gavin, während er seine Hand unter ihren Ellbogen legte und sie in die Bibliothek führte.
Marilee runzelte die Stirn. „Wirklich? Warum, um Himmels willen, denn nicht?“
Gavin lächelte, obwohl sein Magen sich schmerzhaft zusammengezogen hatte. Er wollte nicht, dass sein Sohn sich an eine so unbedeutende Person band, und war entsetzt, dass die beiden bereits verheiratet waren. Wenn Justin doch erst zu ihm gekommen wäre, hätte er ihm raten können, diese Situation anders zu regeln.
„Weil sie unfassbar viel wert sind, wissen Sie, und einige der Bücher sind sehr selten. Sie zu benutzen könnte sie beschädigen.“
Doch Marilee hatte die Stirn noch immer gerunzelt. „Ja, natürlich, das habe ich verstanden. Aber es ist ja nicht so, als wären es hübsche und wertvolle Gemälde, oder? Man kann einen Degas oder Van Gogh bewundern, ohne das Bild zu berühren. Doch wozu ist ein Buch – selten oder nicht – denn gut, wenn man es nicht lesen darf?“
Darauf fiel Gavin keine Antwort ein. Als sie die Bibliothek betraten, warf er einen Blick auf das Regal mit seinen Trophäen. Viele Reihen von
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