Julia Extra Band 0297
mir wirklich Mühe gebe, es zu tun.“
Was er auch tat, wie sie ganz genau wusste. Den Beweis dafür hatte sie oft genug selbst erlebt. Bei William. Oder Henry. Und bei Rebecca.
„Du kannst deinen Anruf von hier aus machen“, sagte er und deutete auf das Telefon auf seinem Schreibtisch. „Ich glaube, ich gehe besser und hole mir eine kalte Kompresse für meine Wange.“
Sobald er den Raum verlassen hatte, stöhnte Marina laut auf. Sie schämte sich furchtbar! Schließlich war es nicht so, als hätte er ihr falsche Versprechungen gemacht oder sie schlecht behandelt. Sie besaß nicht das Recht, ihn zu schlagen, sondern benahm sich wie eine melodramatische Idiotin.
Mit einem Seufzer hob sie langsam den Hörer ab und wählte Shanes Nummer.
Er meldete sich relativ schnell.
„Ja?“, fragte er.
„Shane, ich bin’s, Marina.“
„Das wurde aber allmählich auch Zeit. Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.“
„Natürlich habe ich dich nicht vergessen“, entgegnete sie vorsichtig. Sie wollte nicht am Telefon mit ihm Schluss machen. Das wäre nicht fair, da er etwas Besseres verdiente. „Es gibt ein kleines Problem, Shane, die Maschine war überbucht, und die Gesellschaft hat mich gebeten, meinen Flug auf morgen zu verschieben.“
„Was? Bei einem Platz in der Ersten Klasse? Sag ihnen, dass das gar nicht infrage kommt. Besteh darauf, dass du heute fliegst.“
„Das geht nicht, Shane.“
„Frauen!“, schnaubte er verächtlich. „Wie wollt ihr jemals weiterkommen, wenn ihr nicht einmal in der Lage seid, auf euren Rechten zu bestehen? Na ja, ich schätze, dass die Fluggesellschaft für alle Unkosten aufkommt. Sieh bloß zu, dass sie dich in einem Fünf-Sterne-Hotel unterbringen.“
„Ich verbringe die zusätzliche Nacht in der Wohnung Seiner Lordschaft in London“, erklärte sie. „Sein Chauffeur bringt mich dann zum Flughafen.“
„Ei, wie schick! Wie ist der alte Knacker denn so?“
Der „alte Knacker“ kam in diesem Moment in den Raum zurück und beobachtete sie. Es erleichterte Marina einigermaßen, dass seine Wange wieder normal aussah.
„Shane, ich muss jetzt Schluss machen. Dieser Anruf kostet sonst ein Vermögen. Vergiss nicht, mich vom Flughafen abzuholen.“
„Okay, bis dann.“
Marina legte auf und zwang sich innerlich zur Ruhe.
„Du wirst ihn doch nicht etwa doch noch heiraten, oder?“, fragte James ungläubig.
Sie lachte bitter – auch, um die Tränen aufzuhalten. „Du wirst doch nicht etwa Lady Tiffany doch noch heiraten, oder?“, konterte sie.
„Aber du liebst ihn nicht“, warf er ein, so als hätte er ihr Gegenargument gar nicht gehört.
„Und du liebst sie nicht!“, schoss sie zurück. „Sieh es endlich ein, James. Ob du mich liebst oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Du liebst sie nicht. Wenn du es tätest, hättest du längst mit ihr geschlafen. Nichts und niemand hätte dich davon abgehalten. Weder Ehre noch Gewissen und schon gar nicht irgendeine dämliche heilige Pflicht gegenüber ihrem Bruder.“
Sie holte tief Luft, bevor sie weitersprach: „Du bist ein leidenschaftlicher Mann. Für dich gehören Liebe und Sex zusammen. Es mag ja sein, dass du sie gernhast und bewunderst. Wahrscheinlich fühlst du dich auch für sie verantwortlich und willst sie beschützen. Aber du liebst sie ganz bestimmt nicht …“
Ein lautes Räuspern unterbrach Marina in ihrer hitzigen Rede. Es war der unnachahmliche Talbot, der eine perfekte Imitation von Henry abgab.
„Es tut mir leid, dass ich Sie unterbrechen muss, Mylord, aber Sie haben Besuch.“
James drehte sich langsam um. „Besuch?“
„Ja, Mylord. Lady Tiffany.“
Marina warf dem entsetzten James einen ebenso entsetzen Blick zu.
„Lady Tiffany?“, wiederholte er gepresst.
„Ja, Mylord. Sie wartet im Teesalon auf Sie. Sie wünscht, Sie … allein zu sprechen.“
Einen kurzen Moment herrschte angespanntes Schweigen.
„Bitte sagen Sie Lady Tiffany, dass ich gleich bei ihr bin.“
„Sehr wohl, Mylord.“ Der Butler verneigte sich leicht und verschwand.
Marina konnte die Schnelligkeit, mit der James seine Fassung wiedergewonnen hatte, nur bewundern. Doch was, in aller Welt, machte Tiffany einen Tag früher in England als erwartet? Und warum war sie sofort hierher gekommen? Ihr kam ein schrecklicher Gedanke.
„James, Henry wird doch sicher nicht …?“
„Nein“, unterbrach er sie knapp. „Henry hat nichts dergleichen getan.“ Er trat auf sie zu, legte ihr beide Hände auf die
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