Julia Extra Band 0297
er wies sofort mit dem Kopf zu Paolo, der hinter ihm stand wie ein dunkler Schutzengel. „Er hat mich gefunden, Tante Isabelle, und befreit.“ Dann schnitt er eine Grimasse. „Bitte, nicht so fest, du drückst mich ja beinah kaputt. Ich bin kein Baby mehr.“
„Richtig“, stimmte sie unter Tränen lächelnd zu und lockerte die Umarmung.
Paolo verschränkte die Arme. „Wir haben ihn auf einem verlassenen Bauernhof etwa fünfzig Kilometer von hier aufgespürt. Er war im Keller an einen Stuhl gefesselt, hat aber weder geweint noch gejammert.“ Anerkennend sah er den Jungen an. „Du bist wirklich tapfer.“
Betont lässig zuckte Alexander die Schultern. „Angst zu haben bringt nichts. Als Fürst tut man seine Pflicht“, fügte er großspurig hinzu, aber seine Stimme bebte verräterisch.
Diesen Satz hat Maxim oft gesagt, dachte Isabelle wehmütig. Ihr Bruder war zwar ein untreuer Ehemann gewesen, aber ein großartiger Vater. Er hatte den Jungen beinah abgöttisch geliebt. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie lange er und seine Frau Karin versucht hatten, ein Kind zu bekommen.
„Danke für die Befreiung“, wandte Alexander sich nun an Paolo und klang dabei wie ein Herrscher, der mit einem Lehnsherrn sprach.
„Keine Ursache“, erwiderte Paolo schroff. Er zog sein Jackett aus und hängte es dem Jungen um die Schultern. Dann wandte er sich an den Mann neben ihm „Bertolli, bringen Sie den Jungen so unauffällig wie möglich in den Palast. Fragen Sie nach …“ Er blickte Isabelle an.
„Milly Lavoisier“, antwortete sie. „Das ist Alexanders Kinderfrau.“
„Sie vermisst mich bestimmt schon“, meinte der Junge und lächelte schelmisch, was ihn endlich wie den Neunjährigen aussehen ließ, der er trotz seines Titels war. „Ich hoffe, sie gibt mir Eiscreme als Trost für den ausgestandenen Schrecken.“
„Alexander, Milly weiß, was passiert ist“, erklärte Isabelle eindringlich, „aber sonst darf es niemand erfahren, hörst du? Die Leute sollen glauben, du wärst mit mir auf einem Skiausflug gewesen.“
„Okay. Ich kann ein Geheimnis für mich behalten“, verkündete er würdevoll.
„Sicher kannst du das“, bestätigte sie.
Immerhin war er ein de Luceran, und Geheimnisse gehörten sozusagen zu den Spezialitäten dieses alten Fürstengeschlechts!
Sie umarmte ihn noch einmal und küsste ihn, aber er machte sich ungeduldig von ihr los und ging mit Bertolli durch das Labyrinth. Sie hörte ihn noch laut überlegen, ob Milly ihm wohl zwei Portionen Eis erlauben würde – oder sogar drei.
„Du hattest recht mit deinem Misstrauen gegenüber den Leibwächtern“, erklärte Paolo, sobald der Junge außer Hörweite war. „Ein ehemaliger Bodyguard hat ihn entführt.“
„Welcher?“
„René Durand.“
„Ach!“
Trotz seiner ausgezeichneten Zeugnisse hatte sie den Mann nie leiden können. Aber sie redete sich ein, ein kalter, stechender Blick wäre normal bei so einem Beruf und kein Grund, um sich unbehaglich zu fühlen. Also hatte sie ihn als persönlichen Leibwächter für Alexander engagiert.
„Ich hätte ihn doch gleich der Polizei übergeben sollen“, rief sie heftig.
„Hat er sich denn schon einmal etwas zuschulden kommen lassen?“
„Oh, ja! Vor etwa zwei Monaten habe ich ihn dabei erwischt, wie er ein kostbares Bild von Monet aus dem Palast gestohlen hat. Er hat es einfach zu seinem Wagen getragen, als ob es ihm gehören würde. Als ich ihn zur Rede stellte, hat er mir alle möglichen Ausflüchte aufgetischt, und ich habe gedacht ‚im Zweifel für den Angeklagten‘ und ihn laufen lassen.“
„Diesmal gibt es absolut keinen Zweifel. Ich habe ihn erwischt, wie er eine Lösegeldforderung geschrieben hat. Er hat Schulden, und er hegt einen Groll gegen dich. Man sollte dafür sorgen, dass er kein Unheil mehr anrichten kann. Damit er dir oder dem Jungen nicht noch einmal etwas antut!“
„Natürlich können wir ihn jetzt nicht laufen lassen. Übergib ihn der Polizei von San Piedro, das müsste genügen.“
„Hoffentlich machst du keinen Fehler“, warnte Paolo. „Ihr habt hier nicht gerade ein Hochsicherheitsgefängnis.“
„Keine Sorge, dich geht das alles ab übermorgen nichts mehr an“, erwiderte Isabelle kühl. „Du bist nicht für mich verantwortlich. Magnus wird …“
„… dich beschützen?“, unterbrach er sie zynisch. „Wenn du glaubst, er könne irgendjemand vor irgendetwas beschützen, bist du tatsächlich blind vor Liebe.“
„Das bin ich
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