Julia Extra Band 0297
Schatten auf den Tisch. „Ich denke, du hast eine Grenze überschritten, mein Freund“, sagte er drohend.
Verwirrt schaute Leon ihn an. „Aber normalerweise …“
„Zum Teufel mit normalerweise! Dieses Mal ist es anders! Verstehst du das, Leon? Denn diese Frau werde ich heiraten!“
Nachdem Leon seinen anfänglichen Schock überwunden hatte, murmelte er rasch eine hastige Entschuldigung und gratulierte dann mit blumigsten Worten. Alice hörte kaum, was er sagte. Gänzlich ungläubig starrte sie Kyros an und konnte die Bedeutung seiner unerwarteten Ankündigung kaum begreifen.
„Sollen wir gehen, thespinis mou?“, fragte er mit nun wieder ruhiger, samtiger Stimme.
Verwirrt nickend stand Alice auf. Jetzt war nicht der passende Augenblick, Kyros zu fragen, was er vorhatte. Zudem war seine Miene so finster, dass sie es nicht riskieren wollte, ihn zu einem Wutausbruch mitten in einem der nobelsten Restaurants von Paris zu provozieren. „Es war sehr schön, Sie kennenzulernen, Leon.“
„ Enchanté, mademoiselle“, erwiderte Leon feierlich. Diesmal, fiel Alice auf, versuchte er nicht, ihre Hand zu küssen.
Doch als sie und Kyros den Wagen erreichten, konnte sie nicht länger schweigen. „Willst du mir nicht endlich verraten, was das gerade sollte?“, fuhr sie ihn an, sobald sie nebeneinander auf der Rückbank saßen.
„Wenn wir zurück im Hotel sind“, entgegnete er kurz angebunden. Vor den neugierigen Ohren des Fahrers würde er ganz bestimmt nicht sein Privatleben mit ihr diskutieren.
„Kyros …“
„Nicht jetzt!“
Wahrscheinlich hatte die Verzögerung etwas für sich. Wie peinlich würde es erst werden, wenn er ihr erklärte, alles sei nur ein Täuschungsmanöver gewesen, damit Leon sie in Ruhe ließe! Wobei „peinlich“ nicht das treffende Wort war. Hatte ihr Herz nicht vor Freude einen Sprung getan, als sie die Worte hörte, auf die sie so lange gewartet hatte?
„Beantworte mir nur eine Frage“, beharrte sie stur. „Das, was du im Restaurant gesagt hast, hast du das ernst gemeint?“
„Ja.“
Auf der Fahrt zurück zum Hotel kreisten unzählige Gedanken durch ihren Kopf. Schweigend folgte sie Kyros auf ihr Zimmer. Und erst als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf.
Erregt warf sie die Handtasche aufs Bett. Dass ein Lippenstift und die Haarbürste dabei zu Boden segelten, interessierte sie überhaupt nicht. „Was, zur Hölle, geht hier vor?“
„Ich habe dich gebeten, mich zu heiraten.“
„Warum?“
Ja, warum eigentlich? Weil seine Eifersucht es ihm unmöglich gemacht hatte, den Gedanken zu ertragen, ein anderer Mann könne Alice auf dieselbe Art besitzen wie er. Aber selbst Kyros sah ein, dass es töricht war, ihr das zu verraten.
„Warum keine Griechin? Davon hast du doch immer gesprochen. Dass deine Zukunft bereits feststehe! Du wolltest eine griechische Frau, die dir jede Menge Söhne schenkt.“
Er wandte sich ab, um ihrem kritischen Blick zu entgehen, und schaute aus dem Fenster auf die erleuchteten Häuser des nächtlichen Paris. Als er sich wieder umdrehte, war sein Gesicht zu einer ernsten Maske erstarrt.
„Ich habe versucht, Beziehungen mit Frauen aus meinem Land zu führen“, setzte er vorsichtig an. „Sowohl vom Festland als auch von der Insel, aber …“ Er zuckte die breiten Schultern. Was sich in der Theorie als gute Idee darstellte, hatte in der Praxis kläglich versagt. Natürlich hatte er bekommen, was er sich gewünscht hatte – nur leider war ihm klar geworden, dass er in Wahrheit ganz andere Wünsche hegte. Wie sollte er ihr das nur erklären? Warum musste er es überhaupt erklären? War Alice nicht auch Single? Hieß das nicht, dass in ihren Beziehungen ebenfalls etwas schiefgelaufen war?
„Vielleicht hat mich meine Zeit in England mehr verändert, als ich mir damals eingestehen wolle. Vielleicht erwarte ich von Beziehungen mittlerweile etwas anderes.“
„Warum dann ich?“, wiederholte Alice. Sie musste ihre Chance nutzen. Mehr hatte Kyros noch nie von seinen Gefühlen preisgegeben.
Kyros spürte sein Herz in seiner Brust hämmern. Die Bedeutung der Worte, die er gleich aussprechen würde, lastete schwer auf ihm. „Weil wir gut zusammen sind.“
Alice wartete. „Und das ist alles?“
„Reicht das nicht?“ In seinen dunklen Augen lag kein Funken Humor. Konnte sie nicht akzeptieren, dass alles im Leben ein Kompromiss war? „Schau dir dein Leben an, Alice. Und dann vergleiche es mit dem, was
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