Julia Extra Band 0297
stieß den angehaltenen Atem aus. „Und wo, zum Teufel, seid ihr gewesen?“
„Auf der Party, das weißt du doch.“
„Die Party endete um vier!“, explodierte er. „Und jetzt ist es nach sieben! Ich frage dich noch einmal, Alice … wo wart ihr?“
Bestimmt liegt es an der Sorge um seine Tochter, dass er so reagiert, versuchte sie, sich einzureden. Jedoch fiel es ihr schwer, es auch zu glauben. Sonst verhielt er sich ja auch nicht gerade wie der vorbildliche Vater, oder? Nein, dies war nur Teil des alten Spiels. Kyros behandelte Menschen wie Besitztümer. Eine Tochter, die er aus einer Schachtel hervorholen und weglegen konnte, wie es ihm beliebte. Eine Ehefrau, die gut für Sex war und für sonst nichts.
Alice stieg aus dem Wagen. „Wir haben einen wundervollen Nachmittag verbracht. Nach der Party haben wir eine kleine Bucht gefunden. Dort sind wir schwimmen gegangen und haben Sandburgen gebaut. Warum auch nicht? Es ist kein Verbrechen, mit einem Kind zu spielen, Kyros, obwohl du offensichtlich anderer Meinung bist. Wir haben Olympias Großeltern Bescheid gesagt, dass wir später nach Hause kommen. Hast du sie angerufen?“
„Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machen“, entgegnete er.
„Nein?“ Alice schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das glauben soll. Vielleicht konntest du auch nur nicht ertragen, jemand könnte denken, du hättest nicht alles unter Kontrolle … wie sonst immer. Der ewige Direktor … der niemanden an sich heranlässt!“
„Das reicht jetzt wirklich!“
Sie ballte die Hände zu Fäusten. Auf einmal wusste sie, dass sie nicht länger gegen das Unvermeidliche ankämpfen konnte. „Damit hast du vollkommen recht. Ich verschwinde von hier, Kyros. Verstehst du, was ich dir sage? Ich verlasse dich. Ich kann nicht mehr mit dir zusammenleben. Es war verrückt von mir zu glauben, du würdest dich jemals ändern. Dass du dich vielleicht irgendwann wie ein menschliches Wesen verhältst, mit einem Herzen und mit … mit Gefühlen. Und dass du keine Angst hast, sie zu zeigen, wie wirklich verheiratete Paare es tun.“
Wieder schüttelte sie den Kopf. „Wen interessiert schon Stolz? Meinen werde ich hinunterschlucken und nach Hause zurückkehren und all den Spöttern gegenübertreten. Denn alles ist besser, als mit einem verdammten Roboter zu leben!“
Es kostete sie einige Mühe, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. Innerlich jedoch fühlte sie sich ganz ruhig, als sie in sein ungläubiges Gesicht schaute. Endlich hatte sie eine Entscheidung getroffen. „Ich möchte dich bitten, heute Abend für mich einen Flug zu organisieren. Und ein Taxi. Ich gehe jetzt nach oben und packe meinen Koffer.“
12. KAPITEL
Immer wieder versicherte Kyros sich, dass Alice es nicht ernst meinte. Natürlich würde sie nicht gehen. Bald würde sie einsehen, dass sie beide in der Hitze des Moments eine Menge unbeherrschter Dinge gesagt hatten. Aber das war doch auch alles.
Er wartete unten darauf, dass sie aus dem Schlafzimmer zurückkam, die Augen vom Weinen gerötet, und ihm flüsternd gestand, sie habe einen großen Fehler gemacht.
Doch Alice kam nicht. Dafür drang das Geräusch von aufgezogenen Schubladen und geöffneten Schranktüren an sein Ohr. Offensichtlich packte sie tatsächlich ihren Koffer.
Na schön, lass sie ziehen! Ich brauche sie nicht!
Wütend griff Kyros nach dem Telefon, bestellte ein Taxi und ordnete an, sein Jet möge sich für den Abflug bereithalten. Als Alice endlich wieder die Treppe hinunterkam, stand er in seinem Arbeitszimmer. Er hörte, wie sie ihren Koffer mit einem dumpfen Geräusch auf dem Marmorboden abstellte.
„Kyros?“, rief sie.
Erst nachdem ein oder zwei Augenblicke verstrichen waren, trat er aus dem Zimmer. Sein Herz pochte sehr schnell. Alice wirkte sehr blass. Und er entdeckte einen fremden harten Zug um ihren Mund. Fragend zog er eine Augenbraue hoch.
„Ich wollte mich verabschieden.“
Sie starrten einander an, bis ein lautes Hupen die Stille durchbrach.
„Dein Taxi ist da“, sagte er.
Fassungslos sah Alice ihn an. Das war’s? Der Kuss, auf den sie gewartet und vor dem sie sich gleichzeitig gefürchtet hatte, war ausgeblieben. Ebenso jedes Wort des Bedauerns.
„Ich trage deinen Koffer“, meinte Kyros.
Ganz ruhig, befahl sie sich. Verlier jetzt nicht die Nerven. Jetzt siehst du, wie wenig du ihm wirklich bedeutest.
Der Taxifahrer verstaute ihr Gepäck im Kofferraum. Wortlos nahm Alice auf der Rückbank Platz.
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