Julia Extra Band 0297
Erst als der Fahrer den Motor anließ, wandte sie sich noch einmal um. Ihre smaragdgrünen Augen schimmerten unnatürlich hell.
„Liebe Grüße an Olympia“, rief sie. „Sag ihr, ich schicke ihr bald eine Postkarte.“
Dann war das Taxi auch schon in einer Staubwolke verschwunden.
Soll sie sich doch zum Teufel scheren, dachte Kyros und eilte zurück in die Villa, um sich einen Drink zu genehmigen. Ohne eine Frau, die sich ständig in alles einmischte, war er besser dran!
Doch das Glas blieb unberührt. Eine langsam gärende Unruhe erfasste Kyros, als er versuchte zu ergründen, warum sich alles so falsch anfühlte. Und dann begriff er.
Es lag an der Stille.
Alice war fort, er konnte ihre Anwesenheit nicht mehr spüren. Die Sicherheit war verschwunden, dass er sch immerzu, wenn er aufblickte, ihrer goldenen Schönheit gegenübersah.
Eine Flut von Erinnerungen überrollte ihn. Wie wundervoll sie mit Olympia umgegangen war. Wie ernst sie ihn auf die Tatsache aufmerksam gemacht hatte, dass er seiner Tochter kein guter Vater war. Wie furchtlos und mutig sie sein konnte. Wie sie sich stets auf die Lippen biss, kurz bevor sie lachte. Wie es sich anfühlte, nachts neben ihr im Bett zu liegen.
Und jetzt war sie fort. Um ihr Leben noch einmal in England zu beginnen. Und er würde sie nie wiedersehen, weil er alles vermasselt hatte. Mit seiner Kälte und seiner Grausamkeit hatte er sie vertrieben. Ebenso mit der erotischen Macht, die er über sie besaß und die er aufs Übelste missbraucht hatte.
Plötzlich wurde Kyros klar, was er in seiner Arroganz und Kurzsichtigkeit getan hatte. Er hatte riskiert, die beiden Menschen zu verlieren, die ihm am meisten auf der Welt bedeuteten. Das alles in dem vergeblichen Versuch, sich von allem abzukapseln, was das Leben ausmachte. Und Alice hatte – wie nur wenige andere – den Mut besessen, sich seinem Zorn zu stellen und ihm genau das vorzuwerfen.
Er musste sie aufhalten.
Kyros schaute auf die Uhr. Vielleicht war es schon zu spät. Er zückte das Handy und wählte die Nummer vom Tower des kleinen Inselflughafens, doch die Leitung war besetzt. Entweder verschwendete er die nächsten zwanzig Minuten damit, es weiterhin zu versuchen, oder er unternahm endlich etwas.
Hastig sprang Kyros auf, griff nach den Wagenschlüsseln und rannte nach draußen. Mit quietschenden Reifen lenkte er den Sportwagen aus der Einfahrt. Die Straße zum Flughafen schlängelte sich über zahlreiche Haarnadelkurven durch die Berge. Aber Kyros kannte den Weg wie seine Westentasche und fuhr so schnell, wie es gerade noch sicher war.
Die ersten Sterne waren am Himmel sichtbar, als er den Flughafen erreichte.
Sein Jet stand noch auf der Startbahn. Gerade noch. Turbinenlärm drang an seine Ohren. Die Propeller liefen bereits.
Ihm blieb kaum noch Zeit. Eine Person im Tower gestikulierte wild in seine Richtung. Kyros ignorierte die Warnhinweise und steuerte den Wagen auf die Startbahn. Unmittelbar vor der Nase des Jets hielt er an.
Hastig stieg er aus und winkte fieberhaft mit den Armen. Plötzlich wurden die Motorengeräusche leiser, und die Propeller drehten sich langsamer. In einem der Fenster entdeckte er Alices blasses und ungläubiges Gesicht.
Seine Crew ließ die Gangway hinunter. Und Kyros rannte an Bord – schneller, als er seit Jahren gelaufen war.
Keuchend und außer Atem stürmte er in die Kabine. Bewegungslos und still saß Alice auf ihrem Platz, als sei sie zu Stein verwandelt worden.
„Alice“, rief er. Es war ihm egal, ob der Pilot ihn hörte. Vielleicht nützte sein Versuch, Alice aufzuhalten überhaupt nichts, weil ihr Entschluss, ihn zu verlassen, endgültig feststand. Aber er musste das Risiko einfach eingehen. „Alice, bitte, geh nicht.“
Sei stark, befahl sie sich. Sei stark. „Ich muss“, erwiderte sie und wiederholte die Worte dann, als brauche sie die Bestätigung. „Ich muss.“
Kyros kniete neben ihr nieder, sodass sich ihre Augen auf derselben Höhe befanden. Schwarze und smaragdgrüne. „Auch wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?“
Ihre Unterlippe zitterte, weil er es unmöglich ernst meinen konnte. „Nein, das tust du nicht“, flüsterte sie.
„Ich habe über all die Dinge nachgedacht, die du mir vorgeworfen hast. Dinge, die wehgetan haben. Und dennoch waren sie alle wahr. Ich war Olympia kein guter Vater. Und ich war dir ein furchtbarer Ehemann. Ich habe mir selbst verboten, dich zu lieben. Dabei verdienst du alle Liebe der Welt.“ Er griff nach
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