Julia Extra Band 0297
Oder doch, denn schließlich kam es nicht alle Tage vor, dass man sich aus Mitleid auf eine verzweifelte, derangierte Frau einließ.
Ein Schrei und lautes Wiehern unterbrachen ihre Mutmaßungen, und Maggie packte die Zügel fester, als Tally urplötzlich in ihre Richtung scheute und den Kopf nach oben riss. Maggie hatte das Gefühl, ihre Arme würden aus den Gelenken gezerrt, aber sie hatte genug Pferdeverstand, in dieser Situation richtig zu reagieren. Schon bald hatte sie die Stute wieder unter Kontrolle.
Dasselbe konnte man von Diva nicht gerade behaupten. Aus dem Augenwinkel sah Maggie etwas Schwarzes in einer Staubwolke aufblitzen, als das Pferd unkontrolliert auf den Platz stob. Verflixt!
Maggie war dagegen gewesen, Diva einem unerfahrenen Stallknecht anzuvertrauen. Die Stute war zu übermütig und energiegeladen für jemanden, der sie nicht kannte, aber der Gestütsverwalter hatte auf seine Entscheidung bestanden. Hoffentlich war er jetzt auch in der Lage, das wilde Pferd selbst wieder einzufangen.
Die ungewohnte Umgebung tat ihr Übriges, und Diva war vollkommen außer sich. Sie rollte die Augen, bis das Weiße zu sehen war, und trat in alle möglichen Richtungen aus.
Hastig bewegte Maggie sich auf den Zaun zu und reichte Tallys Zügel an einen ihr bekannten Pferdetrainer weiter. Sein erschrockener Blick folgte ihr, als sie sich geschickt auf das aufbäumende Pferd zubewegte. Ein Raunen ging durch die neugierige Zuschauermenge.
Keine Sekunde lang ließ Maggie die Stute aus den Augen. Sie wusste genau, wie viel Kraft Diva hatte, und sprach deshalb unentwegt beruhigend auf das Tier ein.
Diva erkannte die vertraute Stimme und bewegte die Ohren vor und zurück. Ihre Muskeln zuckten, und sie tänzelte nervös auf der Stelle. Von Zeit zu Zeit schlug sie in die Richtung aus, aus der eine Fahne von einem Zuschauer bewegt wurde.
Dann ertönte ein kurzer scharfer Befehl auf Arabisch, und Maggie stellte erleichtert fest, dass das Publikum ein paar Schritte vom Zaun zurücktrat. Wenigstens bewies ein Zuschauer so viel Verstand, alle bedrohlichen Ablenkungen von dem Zuchtpferd fernzuhalten.
Als Maggie Divas hängende Zügel beinahe zu fassen hatte, machte die Stute einen schnellen Satz zur Seite und warf Maggie dabei mit voller Wucht gegen den Bretterzaun. Sie prallte mit dem Rücken auf und spürte einen stechenden Schmerz an der Wirbelsäule.
Diva trabte ein paar Schritte, und Maggie fiel schwer atmend auf Hände und Knie. Dann rappelte sie sich wieder auf und wandte sich dem Rappen zu. Um sie herum herrschte inzwischen Totenstille.
Mit ausgestreckter Hand ging sie um die Stute herum, aber sie stellte fest, dass bereits jemand anders die Zügel ergriffen hatte und das Pferd festhielt.
„Khalid!“
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie entdeckte, wer ihr dort zu Hilfe geeilt war. Er sah einfach hinreißend aus.
Sein Gesichtsausdruck war unergründlich und sein Mund nicht mehr als eine schmale, grimmige Linie. Die Augen hatte er leicht zusammengekniffen, und sein Atem ging schwer. War er etwa wütend?
Mit dem festen Griff eines erfahrenen Reiters hielt er das nervöse Pferd an seiner Seite, und Diva schien sich allmählich zu beruhigen.
„Maggie“, begrüßte er sie knapp. „Du bist schon wieder auf den Beinen? Du solltest dich hinsetzten, bis du wieder richtig Luft bekommst.“
Scheinbar dachte er nicht mehr über ihre gemeinsame Nacht nach, sondern bewegte sich ausschließlich im Hier und Jetzt. Eine ziemlich herbe Enttäuschung!
„Mir geht es gut“, antwortete sie automatisch.
„Das bleibt abzuwarten.“ Er wandte sich um und winkte einen Stallburschen heran, der daraufhin Diva vom Platz führte.
„Hast du es zu deiner Gewohnheit gemacht, Frauen in Not zu retten?“, fragte sie heiser.
Für den Bruchteil einer Sekunde befand sie sich wieder in Australien, in seinem Bett. Khalid beugte sich über sie, liebkoste ihren nackten Körper, und in seinen warmen Augen lag das Versprechen, ihr den Olymp der Lust zu Füßen zu legen.
Erschrocken sah sie sich um, als ihr bewusst wurde, dass sie von zahlreichen Schaulustigen angestarrt wurden. Ihre Wangen färbten sich dunkelrot.
„Was machst du hier?“, flüsterte sie so leise wie möglich.
Er hob die Augenbrauen. „Ich sehe mir die Pferde an.“
Natürlich hatte sein Erscheinen nichts mit ihr persönlich zu tun!
„Wir müssen dich von einem Arzt untersuchen lassen“, fuhr er fort.
„Das ist nicht nötig“, wehrte sie eilig ab.
„Oh,
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