Julia Extra Band 0299
unangenehm zu sein, denn Abby senkte verlegen den Blick. „Ich habe nur die Eier beigesteuert.“
Brachte ein Einbrecher Eier mit, wenn er ein Haus ausrauben wollte? Vielleicht war sie gar keine Einbrecherin, sondern eine Hausbesetzerin. Nach kurzem Überlegen schloss er auch diese Möglichkeit aus. Nein, sie war aus einem ganz bestimmten Grund hier, und den würde er herausfinden.
„Okay, Sie sind also nicht eingebrochen. Und wie sind Sie dann ins Haus gekommen?“, fragte er neugierig.
Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung wirkte sie ehrlich schuldbewusst. Ihr war anzusehen, wie sie verzweifelt nach einer Erklärung suchte.
Schließlich beschloss Abby, ihm reinen Wein einzuschenken. „Als Kind war ich oft hier oben, wenn die fürstliche Familie wieder abgereist war. Wir … wir haben immer eine Möglichkeit gefunden, ins Haus zu kommen.“
Fassungslos starrte er sie an. „Ihr kleinen Diebe!“
„Nein, wir haben nie etwas mitgehen lassen!“ In ihrem Blick lag Aufrichtigkeit. Mychale, der sonst so misstrauisch war, glaubte ihr sofort. Gerade das fand er verdächtig.
„Wir haben uns nur an der Atmosphäre hier erfreut.“ Schützend legte sie die Arme um ihren Oberkörper und ließ den Blick durchs Zimmer streifen. Sofort kamen die Erinnerungen zurück. Es war in der Vorkriegszeit gewesen. Ständig drohte der Konflikt auszubrechen. Das Dorf Larona war geteilt, das ganze Land war geteilt. Aber fast alle Bewohner des Bergseengebietes standen hinter der Monarchie. „Wir haben Fürstenfamilie gespielt“, fügte sie leise hinzu.
„Wer ist wir?“, fragte er mürrisch und brach noch ein Stück von seiner Zimtwecke ab.
Überrascht sah sie ihn an. „Meine Schwester und ich.“ Und ein sehr junger Gregor Narna. Doch sie wollte Gregor aus dem Spiel lassen. Die Erinnerung an ihre Schwester war belastend genug.“
Gregor war natürlich der Anführer gewesen. Er hatte seinen Vater, den Dorftierarzt, oft zum Chalet begleitet, wenn eins der Pferde behandelt werden musste. Inzwischen waren auch die Pferde verschwunden.
Schon damals wollte Gregor Medizin studieren. „Eines Tages wohne ich auch in so einem Haus“, verkündete er seinen staunenden Begleiterinnen, als sie zu dritt durch das Chalet wanderten. „Ihr werdet schon sehen.“
Julienne hatte ihn ausgelacht. „Um das Haus geht es dir doch gar nicht. Du möchtest nur einen Blick auf Fürstin Carla erhaschen. Uns kannst du nichts vormachen.“
Abby lächelte, als sie daran dachte, wie verlegen Gregor geworden war. Kategorisch hatte er sich solche Behauptungen verbeten. Der liebe Gregor. Wie viele Jahre war es her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte? Damals war er für sie und Julienne wie ein großer Bruder gewesen. Dann starben ihre Eltern, und die Mädchen zogen fort aus Larona und der Seenlandschaft, um bei ihrem Onkel zu wohnen. Seitdem war alles anders.
Traurig wandte sie sich ab. „Wir haben nie etwas angerührt. Wir waren kleine Mädchen, die mal Märchenprinzessin spielen wollten. Für uns war das hier eine ganz andere Welt. Wir haben sehr viel Spaß gehabt.“
Mychale lehnte sich zurück und runzelte die Stirn. „Aber es gab doch einen Wächter.“
„Ja, das stimmt. Ein alter bärtiger Mann, der die Gegend mit einem Gewehr über der Schulter durchstreifte.“ Sie lächelte wehmütig. „Die meiste Zeit verbrachte er unten am Fluss, um zu angeln. Er hat uns nie erwischt.“
„Elias Karn.“ Mychale nickte nachdenklich. „Wir müssen wohl einen Nachfolger für ihn einstellen. Sie haben Glück, dass wir uns noch nicht darum gekümmert haben.“
„Ich habe mich natürlich vergewissert, dass niemand hier ist, bevor …“ Sie verstummte erschrocken. Fast hätte sie gesagt: … bevor ich das Baby herbrachte . Das war gerade noch mal gut gegangen! „… bevor ich ins Haus ging.“
„Tatsächlich?“ So ganz schien er ihr nicht zu glauben. „Vom alten Elias hätten Sie sich wohl kaum von Ihrem Vorhaben abbringen lassen. Wäre er nicht schon längst gestorben, würde ich ihm die Rente streichen wegen seiner Nachlässigkeit.“
Das war ein Witz, oder? Unsicher schaute sie ihn an. „So einer sind Sie also. Wahrscheinlich bedienen Sie sich auch Ihres Titels, um überall freien Eintritt zu bekommen und bevorzugt bedient zu werden.“
Diese Vorstellung war so abwegig, dass er lachen musste. „Sie kennen keine Gnade, oder?“
Ein rebellischer Ausdruck huschte über ihr hübsches Gesicht. „Ich bin kein Kind mehr“, erklärte sie,
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