Julia Extra Band 0299
die erste Etappe ihrer Reise. Sobald das Wetter sich besserte, wollte sie den Bus zur Grenze nehmen und dann auf Schleichwegen mit ihrer Nichte das Land verlassen. Für den Fall, dass man sie erwischte, hatte sie am Computer gefälschte Personalausweise angefertigt. Sie konnte nur hoffen, dass die Grenzer nicht so genau hinsehen würden.
Allerdings war Abby sich ziemlich sicher, ungesehen außer Landes zu kommen. Früher war sie mit ihrer Familie oft hier über die Grenze gegangen. Und während des erst kürzlich beendeten Krieges war es die einzige Möglichkeit gewesen, von Carnethia nach Dharma zu gelangen, wo ihre Großeltern lebten. Sie kannte die Strecke fast blind und wusste, wie sie die Kontrollpunkte umgehen konnte. Natürlich würde es mit dem Baby auf dem Arm alles etwas schwieriger werden, doch es war immer noch machbar. Innerhalb von zwei Stunden müsste sie in Dharma sein, und von dort war es nur noch eine kurze Strecke mit dem Zug nach Norditalien.
Und was dann? Das war die große Frage.
Brianna schmatzte leise im Schlaf. Abby lächelte und schluckte ihre Tränen hinunter. Sie durfte jetzt nicht im Selbstmitleid zergehen. Die Devise hieß: hoffnungsvoll nach vorn schauen und Brianna eine glückliche Zukunft ermöglichen.
Mychale schloss die Augen und genoss den heißen, harten Duschstrahl auf seinem nackten Körper. Der Wasserdruck hier oben in den Bergen war wunderbar, und die Dusche wirkte wie eine gründliche Massage. Schade nur, dass sie nicht auch seine Sorgen wegspülte.
Mitten in der Nacht hatte er das zwingende Bedürfnis verspürt, sich Stephanies Duft vom Körper zu waschen, als wäre das Problem damit beseitigt. Im grellen Morgenlicht wurde ihm bewusst, dass die Sache so einfach leider nicht war. Wie sollte er Stephanie bloß loswerden? Im Herbst sollte schon die Hochzeit sein …
Er stöhnte ungehalten. Was für eine verrückte Angelegenheit! Sein Bruder Dane hatte ihm das alles eingebrockt. Mit seinem Gerede über Pflicht und Ehre und über die Verpflichtung dem Land und dem Fürstenhaus gegenüber hatte er ihn weich geklopft. Und jetzt war er mit einer Frau verlobt, mit der er es kaum im selben Zimmer aushielt! Irgendwie musste er sich aus der Affäre ziehen. Ihm musste einfach eine Lösung einfallen. Deshalb war er ins Chalet gekommen – um in Ruhe nachzudenken.
Die Dusche hatte Mychale erfrischt und belebt. Doch als er das Badezimmer verließ, wurde ihm plötzlich schwindlig. Nun, wahrscheinlich protestierte sein Körper, weil er zu lange auf Nahrung verzichtet hatte. Nach einem ausgiebigen Frühstück war sicher alles wieder in Ordnung.
Mychale schlüpfte in seine Hose und zog ein sauberes Hemd aus dem Schrank. Als er die Manschetten zuknöpfte, fiel ihm Abby Donair ein. Noch ein Problem! Oder hatte sich das bereits erledigt? Ihre nächtliche Begegnung hatte das Mädchen wahrscheinlich so erschreckt, dass sie längst das Weite gesucht hatte. Oder vielleicht doch nicht? Er begann zu zweifeln, als er den Regen gegen die Fensterscheiben prasseln hörte.
Voll frischer Energie lief er die Treppen hinunter. Er liebte dieses alte Haus mit den großen Kaminen, der Holzvertäfelung und den vielen Fenstern. Als es erbaut wurde, war es auf dem neusten Stand der Technik gewesen. Inzwischen war es reif für eine gründliche Renovierung. Die Wasserleitungen und die Heizungsanlage mussten erneuert werden, ein Außenanstrich war auch nötig. Am liebsten hätte Mychale gleich die Planung übernommen. Die Arbeiten musste er unbedingt persönlich beaufsichtigen. Die Küche wird auch runderneuert, dachte er jetzt und stellte sich bereits modernste Technik und Granitarbeitsflächen vor. Die Badezimmer sollten ebenfalls umgestaltet werden. Vielleicht konnte man eine Sauna einbauen … Eigentlich eine ganz nette Vorstellung, sich hier auf Dauer einzurichten. Das Leben eines Landadligen hatte durchaus etwas für sich.
Mychale musste über sich selbst lachen. Er und ein Leben auf dem Land? So ein Unsinn!
Das Lachen verging ihm, als er sich plötzlich Abby Donair auf dem Flur gegenübersah. Wortlos blickten sie einander an.
Sie war jung und hübsch, ihr Körper schlank, aber mit verführerischen Kurven an den richtigen Stellen. Das lange blonde Haar fiel ihr über die Schultern, fast bis zum Po. Eigentlich wirkte sie wie eine unbeschwerte Studentin. Mychale stellte sich vor, wie sie verträumt und selbstvergessen über eine Wiese tanzte, während ihr Haar im Wind wehte.
„Dann habe ich Ihren
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