Julia Extra Band 0299
obwohl das niemand behauptet hatte.
„Nein.“ Er ließ sich das köstliche Frühstück schmecken. „Aber Sie haben sich als Kind hier herumgetrieben, und jetzt sind Sie wieder da.“
„Nur vorübergehend.“
„Davon gehe ich aus.“ So eine wunderbare Frittata hatte er noch nie gegessen. „Ich fahre Sie ins Dorf, sobald es aufgehört hat zu regnen.“
„Aber ich kann nicht ins Dorf“, protestierte sie.
„Wieso nicht?“Verständnislos sah er sie an.
„Weil die Dorfbewohner mich kennen.“ Sie wich seinem fragenden Blick aus. „Meine Familie lebt nicht mehr dort, aber wir haben lange unten im Dorf gewohnt. Man würde mich sofort erkennen. Es darf aber niemand wissen, dass ich hier bin.“
Mychale runzelte die Stirn. Plötzlich fiel ihm ein, dass sie mit Dr. Zaire verwandt war. „Weiß Ihr Onkel denn nicht, wo sie sind?“
Verneinend schüttelte sie den Kopf. „Nein, nur Sie wissen Bescheid. Schwören Sie mir, mich nicht zu verraten!“
„Ich schwöre gar nichts.“ Er betrachtete sie forschend. Noch immer wurde er nicht aus ihr schlau. Schon vor ihr hatten Frauen sich in sein Schlafzimmer geschmuggelt. Eine von ihnen war sogar über die Balkonbrüstung geklettert, um zu ihm zu gelangen.
Zu dieser Kategorie gehörte Abby wohl nicht. Jetzt biss sie sich nervös auf die Unterlippe – kein besonders glücklicher Anblick. Ein belustigtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Es gefiel Mychale, dass diese Frau so anders war als die Damen, die ihn sonst so aufdringlich anschmachteten.
„Wohin soll die Reise eigentlich gehen?“,fragte sie ihn schließlich ernst.
„Wie kommen Sie darauf, dass ich auf der Reise bin?“
„Keine Ahnung. Ich vermute es einfach.“
„Sie täuschen sich.“ Offensichtlich hatte sie etwas dagegen, dass er sich in seinem eigenen Zuhause aufhielt! Denn das war das Chalet in all den Jahren für ihn gewesen, während der Rest der Familie sich am gewaltsamen Kampf um die Wiedereinsetzung des Fürstentums beteiligt hatte. Seit einem Jahr saß nun sein Bruder auf dem Thron. Das Bergseengebiet war eigentlich nie in der Hand der diktatorischen Acredonnas gewesen, die so viele Jahre über sein Land geherrscht hatten. Während der langen Zeit im Exil hatten Mychale und seine Familie oft Zuflucht im Chalet gesucht. Natürlich war das Haus damals von royalen Wachmannschaften bewacht worden. Niemand konnte ahnen, dass kleine Mädchen alle Sicherheitsabsperrungen durchbrechen und im Chalet ein- und ausgehen würden, sobald die Fürstenfamilie wieder abgereist war.
Nach der Absetzung des Regimes und Wiedereinsetzung des Fürstentums war die Familie wieder in den herrschaftlichen Palast in der Hauptstadt gezogen. Trotzdem war das Bergseengebiet weiterhin von Bedeutung für die Montenevadas. Und daran würde sich auch nie etwas ändern.
„Mein Reiseziel war das Chalet“, erklärte er, versuchte, seine verspannten Schultern zu lockern und blickte um sich. „Und hier bin ich nun.“
„Dann bleiben Sie also hier?“, fragte sie enttäuscht.
„Genau.“ Er schob sich den letzten Bissen in den Mund und streckte sich wohlig. „Sie wollen mich wohl unbedingt loswerden, was?“
Abby suchte verzweifelt nach einer plausiblen Antwort. „Nein, das haben Sie missverstanden. Es ist nur so …“ Sie atmete tief durch. „Ich wollte Sie fragen, ob ich noch einige Tage bleiben darf.“
Der flehende Blick aus ihren dunklen Augen hätte jeden Stein erweicht. Doch Mychale, der in der Abgeschiedenheit des Chalets nach einer Lösung für sein Problem suchte und dabei keine Gesellschaft brauchen konnte, schüttelte vehement den Kopf.
„Tut mir leid, aber ich brauche das Haus für mich.“
Sie musterte ihn skeptisch. „Das ganze Haus? Ach, ich verstehe, Sie erwarten Freunde.“
„Bloß nicht!“
„Aber dann …“
Jetzt hatte er fast ein schlechtes Gewissen, ließ sich jedoch nichts anmerken. „Hören Sie zu … wie war doch gleich Ihr Name?“
„Abby. Abby Donair.“
„Passen Sie auf, Abby Donair: Ich bin extra hierhergekommen, um allein und ungestört nachdenken zu können. Dabei will ich nicht gestört werden. Es tut mir wirklich leid, aber ich muss Sie bitten zu gehen.“
Zufrieden lehnte Mychale sich zurück, als wäre die Angelegenheit damit für ihn erledigt.
Offensichtlich ist er es gewohnt, dass die Leute nach seiner Pfeife tanzen, dachte Abby ärgerlich und biss sich ratlos auf die Lippen. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie hatte sich so sehr darauf konzentriert, was
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