Julia Extra Band 0299
wachsame Ausdruck in ihren Augen verrieten ihm jedoch, dass sie sich keineswegs wie ein unbeschwerter Teenager fühlte.
Vermutlich gingen ihr gerade dieselben Gedanken durch den Kopf, die auch ihn die halbe Nacht beschäftigt hatten, als er in der Küche gesessen und einen Kaffee nach dem anderen getrunken hatte. Mehr als einmal war er heftig versucht gewesen, wieder nach oben zu gehen, um da weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Allein die Tatsache, dass er sich hier auf Kenzies Terrain befand, hatte Dominick die Kraft gegeben, sein Verlangen zu bezähmen.
An dem Tag, an dem Kenzie ihn verlassen hatte, hatte er sich so machtlos gefühlt wie noch nie in seinem Leben. Es war die demütigendste Erfahrung gewesen, die er je gemacht hatte, und er hatte sich geschworen, dass ihm so etwas nie wieder passieren würde. Was immer von jetzt an zwischen ihnen ablief, würde ausschließlich zu seinen Bedingungen geschehen.
„Deine Mutter erwähnte etwas von einem Frühstück“, erinnerte er sie, um irgendetwas zu sagen.
Kenzie verspürte nicht die geringste Lust, für Dominick die fürsorgliche Hausfrau zu spielen, aber es war immer noch besser, als darüber zu diskutieren, was letzte Nacht zwischen ihnen geschehen war. „Möchtest du lieber Toast oder Müsli?“, erkundigte sie sich daher kühl. „Ich könnte dir auch ein Ei …“
„Müsli genügt mir völlig.“
Wortlos öffnete Kenzie den Kühlschrank und holte die Milch heraus, die sie zusammen mit einem Päckchen Müsli, einem Keramikschälchen und einem Löffel vor ihn hinstellte. Um noch etwas Zeit zu gewinnen, ging sie zur Anrichte und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Erst dann setzte sie sich zu ihm an den Tisch.
Mit ausdrucksloser Miene füllte Dominick sein Schälchen und goss einen Schuss Milch darüber. Von der Unbefangenheit, mit der er noch vor wenigen Minuten mit ihrer Mutter herumgealbert hatte, war jetzt nichts mehr zu bemerken.
Plötzlich war Kenzie nach Weinen zumute. Wie gern hätte auch sie mit ihm über etwas so Banales wie eine komisch aussehende Fliege gelacht. Aber sie waren ja nicht einmal imstande, normal miteinander zu reden.
„Du hast diesen ganzen Rummel sehr vermisst, oder?“, brach Dominick unvermittelt das Schweigen.
Kenzie hob irritiert den Kopf. „Du meinst das Leben hier? Aber ich habe doch schon seit Jahren in London gelebt, als wir …“
„Davon rede ich nicht.“ Er schob sein Müsli, das er kaum angerührt hatte, wieder von sich. „Ich meine die Hochzeit. Du hättest dir doch bestimmt auch ein Fest wie dieses gewünscht. Eine kirchliche Trauung im Kreis deiner Familie und das alles.“
Kenzie war zu verblüfft, um sofort zu antworten. Wann hätte Dominick sich je über ihre Gefühle Gedanken gemacht? „Es wäre natürlich schön gewesen“, gab sie schließlich zu. „Aber du wolltest ja nicht …“
„Was ich gewollt habe oder nicht, ist im Moment uninteressant.“
Um Dominicks forschendem Blick zu entgehen, vertiefte Kenzie sich in das Muster auf ihrem Kaffeebecher. „Ehrlich gesagt, sehe ich keinen Sinn darin, jetzt darüber zu reden“, sagte sie leise. „Es war, wie es war, und spielt keine Rolle mehr.“
„Und wieso nicht?“, hakte er nach, während er sie weiter mit Argusaugen beobachtete. „Hat mein Nachfolger dir schon einen Traum in Weiß versprochen, sobald du wieder frei bist?“
Womit wir wieder glücklich bei seinem Lieblingsthema ge landet wären!
„Eins kannst du mir glauben, Dominick“, entgegnete Kenzie bitter. „Wenn ich diese Scheidung hinter mir habe, wird es sehr lange dauern, bevor ich den Gedanken an eine zweite Heirat auch nur erwäge.“
Zum Zeichen, dass das Gespräch damit für sie beendet war, stand sie entschlossen auf, doch bevor sie den Tisch verlassen konnte, hielt Dominick sie am Handgelenk fest. „Und ich kann dir versichern, dass das ganz auf Gegenseitigkeit beruht“, stieß er rau hervor.
Kenzie holte tief Luft. „Hör zu, Dominick, in spätestens zwölf Stunden haben wir alles hinter uns“, versuchte sie einzulenken. „Meinst du nicht, dass wir bis dahin wenigstens versuchen sollten, uns wie zivilisierte Menschen zu benehmen?“
Anstatt sie loszulassen, verstärkte Dominick seinen Griff noch. „Ich finde, dass ich mich in Anbetracht der Umstände ausgesprochen zivilisiert benehme.“
„Du tust mir weh“, sagte sie ausdruckslos.
„Ich bezweifle, dass du überhaupt weißt, was das bedeutet“, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor,
Weitere Kostenlose Bücher