Julia Extra Band 0299
was sie durchgemacht hat. Bitte.“
Der Arzt betrachtete ihn schweigend. Dann, als habe er entschieden, dass er Isandro vertrauen könne, nickte er. „Natürlich kann ich Ihnen ohne Rosannes Erlaubnis nicht die Details ihrer Therapie erklären. Aber ich kann Ihnen schildern, was jemand in dieser Situation üblicherweise ertragen muss.“
„Danke.“
Der Arzt deutete auf die Tür. „Kommen Sie. Machen wir einen Rundgang. Haben Sie Ihre Frau schon gesehen?“
Isandro schüttelte den Kopf.
„Dann bringe ich Sie nachher zu ihr.“
Isandro lehnte gegen den Rahmen des großen Tors, das zu einer hübschen Gartenanlage führte.
Da vorne saß sie. Inmitten einer Gruppe von Kindern. Sie las ihnen aus einem Buch vor. In ihrem geblümten Kleid sah sie kaum älter als sechzehn aus. Sie wirkte so gesund, so voller Energie. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass …
Er setzte sich auf eine Bank in der Nähe und beobachtete sie. Dabei versuchte er zu begreifen, was der Arzt ihm über die Behandlung von Leukämie erzählt hatte.
In diesem Moment beendete Rosanne die Geschichte, klappte das Buch zu und sah lächelnd auf – direkt in Isandros eisblaue Augen. Es war, als würde ihr Blick magnetisch von seinem angezogen.
Er saß auf einer Bank, wenige Meter von ihr entfernt. Rosanne spürte, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich. Vielleicht war es nur ein Traum. Denn an genau dieser Stelle hatte er in ihrer Fantasie so oft …
Geistesabwesend verabschiedete sie sich von den Kindern. Isandro stand auf, als sie auf ihn zuging. Er war real, kein ihrer Einbildung entsprungener Geist.
„Isandro … was tust du hier?“, fragte sie atemlos.
„Ich dachte, ich schulde dir wenigstens das“, erwiderte er. „Ich hätte dich schon gestern begleiten sollen.“
„Ach, das ist gleich in Ordnung. Ich hatte es nicht anders erwartet.“
Ihre Worte trafen ihn hart. Er griff nach ihrer Hand. „Nein, wahrscheinlich nicht.“ Er deutete auf den Platz, an dem sie gesessen hatte. „Wer sind diese Kinder?“
Am liebsten hätte Rosanne ihm ihre Hand wieder entzogen. Seine Anwesenheit hier verwirrte sie. „Patienten. Als man mir vor drei Monaten sagte, dass die Leukämie besiegt sei, war ich noch sehr schwach. Ich musste meine Kräfte erst wieder aufbauen. Und da habe ich auf der Kinderstation ausgeholfen.“ Betreten senkte sie den Kopf. „Ich habe mich immer schuldig gefühlt, weil ich gesund geworden bin. Sie haben ihr ganzes Leben noch vor sich.“
„Deswegen brauchst du dich nicht schuldig zu fühlen“, erklärte Isandro mit einer Entschiedenheit, die sie überraschte.
„Ja“, entgegnete sie nur und atmete tief durch. „Meine Testergebnisse sehen gut aus. Die Prognose ist … sehr gut.“
„Zeigst du mir das neue Gebäude?“, fragte er unvermittelt.
Verwundert öffnete Rosanne den Mund und schloss ihn wieder. „Hat Professor Villiers dir davon erzählt?“, brachte sie schließlich hervor.
Isandro nickte.
Also führte Rosanne ihn zu der Baustelle auf der Rückseite der Klinik. Ein großes Schild aus Holz stand auf dem Rasen. Catherine und Alistair Carmichael Station zur Forschung und Behandlung von Leukämie bei Kindern .
„Warum hast du den Namen deiner Eltern gewählt?“
„Damit sie hier für immer zusammensein können.“
Ihre Selbstlosigkeit rührte ihn. „Dein gesamtes Erbe?“
Rosanne schüttelte den Kopf. „Nicht alles. Einen kleinen Teil habe ich für die Anwaltskosten behalten, falls … falls du die Scheidung willst.“
Sie konnte ihn nicht länger ansehen. Sein Blick war so intensiv und schien bis auf den Grund ihrer Seele zu reichen. Überwältigt von ihren Gefühlen, entzog sie ihm ihre Hand und wandte sich ab. Wieder hier zu sein, ihm von ihren Erlebnissen zu berichten – das alles war plötzlich zu viel für sie.
Rosanne packte ihren kleinen Koffer und verabschiedete sich von den Ärzten und von Professor Villiers.
Im Wagen rückte sie so weit wie möglich von Isandro ab. Die Fahrt verlief schweigend. Erst als sie an dem Schild vorbeifuhren, das die Abfahrt zum Flughafen ankündigte, bemerkte Isandro: „Ich habe für heute Nacht ein Hotelzimmer in Paris reserviert.“
„Warum?“, fragte sie verdutzt. „Isandro, ich bin kein Kind mehr, das nach einem Zahnarztbesuch getröstet oder aufgeheitert werden muss.“
„Ich möchte gerne den Abend mit dir verbringen, Rosanne. Wir müssen reden. Das können wir hier genauso gut tun wie in Sevilla.“
Hatte er vielleicht Angst, dass sie das, was
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