Julia Extra Band 0299
weiß ich, dass das ein Fehler war. Wir hatten keine Zeit, uns richtig kennenzulernen. Du bist so schnell schwanger geworden.“
„Was nie hätte passieren dürfen, ich weiß.“
„Früher oder später wäre es ohnehin passiert. Die Wahrheit ist, dass ich dich vom ersten Augenblick an begehrt habe. Das habe ich weder dir noch mir eingestanden und stattdessen behauptet, meine Karriere auf dem Bankensektor vorantreiben zu wollen. Weißt du, ich hatte nie die Absicht, aus Liebe zu heiraten, nachdem ich erlebt habe, was aus meinen Eltern geworden ist. Eines Nachts fuhren sie nach einer Party nach Hause. Mein Vater saß am Steuer. Sie stritten heftig miteinander, wie so oft. Dabei kamen sie von der Straße ab. Seitdem ist meine Mutter von der Hüfte abwärts gelähmt.“
Das Bild einer zierlichen, ganz in schwarz gekleideten Frau im Rollstuhl flackerte vor Rosannes geistigem Auge auf. Der Ausdruck tiefster Bitterkeit hatte sich in ihr einst hübsches Gesicht gegraben.
„Mein Vater litt an furchtbaren Schuldgefühlen, weil er das Leben seiner Frau zerstört hatte. Daraufhin nahm er sich eine englische Geliebte und brach auch noch das Herz meiner Mutter. Und das meiner Schwester. Deswegen hasst sie dich, weil du Engländerin bist. Allerdings vermute ich, dass sie jede Frau, die ich geheiratet hätte, hassen würde. Nachdem unserer Vater uns auf so üble Weise im Stich gelassen hat, wurde ich zu ihrem strahlenden Helden.“
Rosanne wurde unbehaglich zumute. Das Gespräch driftete auf unbekanntes Terrain ab, auf das sie nicht vorbereitet war. Isandro hatte sie vom ersten Augenblick an begehrt? Es fiel ihr immer schwerer, sich auf seine Worte zu konzentrieren.
„Dann habe ich dich bei dieser Konferenz gesehen und herausgefunden, dass du Alistair Carmichaels Tochter bist. Anfangs habe ich mir eingeredet, dass das Verlangen, das ich empfinde, nur dem Einfluss gilt, den mir eine Hochzeit mit dir verschafft.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber dann kam unsere erste gemeinsame Nacht, und als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben …“
Rosanne lief rot an. Sie hatte sich ihm praktisch an den Hals geworfen! Verlegen senkte sie den Kopf.
Doch als könne er ihre Gedanken lesen, legte Isandro eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Nein. Ich wollte es genauso. Ich schlafe nicht aus Mitleid mit Frauen, Rosanne. Und ich schlafe auch kein zweites Mal mit ihnen, wenn ich sie nicht wirklich begehre.“
Sie glaubte, ihr Herz müsse stehen bleiben. „Ich … ich habe immer gedacht …“
Sanft streichelte er mit einer Hand über ihre Wange. „Ich habe dich so sehr gewollt. Aber als dein Verhalten plötzlich so distanziert wurde … nach deiner Diagnose …“
„Nach deiner Unterhaltung …“
„Ja. Meine Schwester hat von mir verlangt, ihr zu sagen, was ich für dich fühle. Wenn ich ihr die Wahrheit gestanden hätte, wäre sie Amok gelaufen. Doch abgesehen von meinem ehrenwerten Anliegen, sie und dich zu schützen, habe ich mich wie ein erbärmlicher Idiot benommen.“
Stirnrunzelnd sah Rosanne ihn an.
„Meine Gefühle für dich haben mich so verwirrt, dass ich es Ana einfach nicht erklären konnte.“
Gefühle? Wahrscheinlich meinte er Gefühle wie Freund schaft, Respekt …
Rosanne glaubte, rasch etwas sagen zu müssen, um ihm zuvorzukommen, damit er ihre Vermutung nicht betätigte. „Isandro, ich mag dich auch. Ich mochte dich von Anfang an. Mir blieb keine andere Wahl, als dich zu heiraten – mein Vater … die Bank. Meine Erbschaft.“ Irgendwie musste sie ihn überzeugen!
„Das glaube ich dir nicht. Du bist eine starke Frau, Rosanne. Ich denke, du hast mehr als einmal bewiesen, dass du nichts tust, was du nicht wirklich willst. Und die Erbschaft? Mittlerweile bin ich sicher, die war dir immer schon vollkommen egal. Nein, ich möchte jetzt endlich die Wahrheit wissen.“
Die Wahrheit.
Hilflos schüttelte sie den Kopf. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Die kennst du doch längst. Deshalb tust du das doch alles … du willst, dass ich einverstanden bin, wegen Zac verheiratet zu bleiben … aber das kann ich nicht, Sandro.“
„Sag es mir“, verlangte er mit rauer Stimme.
Plötzlich mochte sie nicht mehr kämpfen. Sie war so müde. Besaß sie wirklich die Kraft, ein Leben mit Isandro zu führen, auch wenn er sie nicht liebte?
Widerstandslos ließ sie sich von ihm zum Sofa führen. Sie betrachtete einen Punkt über seiner Schultern, um ihm nicht in die Augen sehen zu
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