Julia Extra Band 0299
ihm löste. War denn einmal nicht genug? Musste er sie unbedingt noch ein zweites Mal in einem so verletzlichen Zustand sehen? Sie nahm niemals Schlafmittel, grundsätzlich nicht. Aber morgen würde sie sich irgendetwas zur Beruhigung holen, und wenn es nur Baldriantropfen waren.
Plötzlich fühlte sie sich total erschöpft, obwohl die Wirkung des Adrenalins immer noch nicht ganz abgeklungen war.
„Willst du mir von deinem Traum erzählen?“
„Fängst du schon wieder an, den Therapeuten zu spielen, Xandro?“
„Nur wenn es dir hilft.“
Bei ihm fühlte sie sich sicher. Einen verrückten Moment lang überlegte sie, wie es wohl sein mochte, sich von ihm beschützen zu lassen, sein Leben und sein Bett zu teilen, in der Nacht aufzuwachen und zu wissen, dass er da war und sie nur die Hand nach ihm auszustrecken brauchte.
Wie es wohl sein mochte, von ihm geliebt zu werden.
Aber das war müßige Spekulation. Von Liebe war nie die Rede gewesen.
Woran lag es, dass sie auf so dumme Gedanken kam? An der späten Stunde? Der Dunkelheit? Seiner Nähe?
Sich so etwas auszumalen war gefährlich.
Es führte nur dazu, dass man zu viel nachdachte. Dass man sich zu viel wünschte.
Dass man sich nach etwas sehnte, was man nicht hatte und nie bekommen würde.
„Ich glaube, du gehst jetzt besser.“ War das wirklich ihre Stimme? So tief und leicht heiser?
„Du kannst mich auch bitten, zu bleiben.“
Für einen langen Moment konnte sie ihn nur ansehen. Sie brachte keinen Ton heraus. „Nein, das kann ich nicht“, sagte sie schließlich mühsam.
Er musterte sie eingehend. „Hast du Angst?“
Nicht so, wie du denkst .
Sollte er sich jetzt vorbeugen und seinen Mund auf ihren legen, dann … dann wäre sie verloren. Das wusste sie genau.
Und hinterher wäre sie nicht mehr dieselbe. Auch das war ihr instinktiv klar.
Konnte er ihre Gedanken lesen? Erriet er den Grund für den Aufruhr, den er in ihr entfesselt hatte?
„Sag was“, drängte Xandro sanft.
Sie brachte kein Wort heraus und schaffte es nicht, ihren Blick von ihm loszureißen.
Die Sekunden verstrichen. Plötzlich gab es nichts mehr außer ihm. Ihn und sie, in einer spannungsgeladenen Atmosphäre, wobei sie das Gefühl hatte, an einem Abgrund zu stehen. Ein Schritt zurück, und sie wäre in Sicherheit.
Aber wenn sie einen Schritt nach vorn machte … würde sie fliegen oder fallen?
Das ließ sich nur herausfinden, wenn sie das Risiko einging.
Jetzt stand er auf und schaute auf sie herunter. Ihr Herz fing an zu rasen.
Er wandte sich ab und ging zur Tür.
Gleich würde er weg sein … und sie wieder allein und einsamer als je zuvor.
Noch immer brachte sie kein Wort heraus. Er legte die Hand auf die Türklinke.
„Bleib.“ Großer Gott . „Bitte.“ Das letzte Wort war wenig mehr als ein Hauch.
Xandro stand reglos mit dem Rücken zu ihr, fast wie erstarrt. Dann drehte er sich langsam zu ihr um.
„Bist du sicher? Wenn ich bleibe, gibt es kein Zurück.“
Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder. Erst jetzt fiel ihr auf, wie schnell sie atmete.
Ihr Körper und ihr Verstand, zwei getrennte Welten.
„Bleib.“
Das war verrückt. Was tat sie da?
Xandro hatte sich immer noch nicht von der Stelle gerührt, aber er schaute sie unverwandt an. Gleich darauf kam er langsam auf sie zu. Ein paar Schritte vor dem Bett blieb er stehen und streckte ihr die Hand entgegen.
„Komm her.“
Er wollte sie außerhalb des Bettes?
Einige Sekunden zögerte sie, bevor sie ihre Hand in seine legte und sich von ihm hochziehen ließ. Seine Augen waren wie unergründliche schwarze Seen. Als sie den Blick abwandte, legte er ihr eine Hand unter das Kinn.
„Schau mich an.“
Zärtlich fuhr er ihr mit einer Fingerspitze über die Wange, während er mit dem linken Zeigefinger den Bogen ihrer Oberlippe nachzeichnete und sich schließlich zu ihr vorbeugte.
Die Berührung seiner Lippen war leicht, flüchtig und weckte die Sehnsucht nach mehr … nach mehr als spielerischer Zärtlichkeit. Und so war am Ende sie es, die ihren Mund öffnete, die mit ihrer Zungenspitze nach seiner tastete und anfing, ihn liebevoll in seine Unterlippe zu beißen.
Xandro schob ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Dabei fiel sein Blick auf eine hauchdünne weiße Narbe, die sich um ihren Hals zog.
Er liebkoste mit dem Mund die schlanke Säule ihres Halses. Als er die Narbe streifte, hielt sie den Atem an. Es war eine federleichte Berührung … wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Xandro
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