Julia Extra Band 0301
gemeint, es sei gleich, ob Tara Lucien jemals wiedersähe, schließlich gebe es noch viele andere, da, wo er herkam, und jetzt wisse Tara ja, wie es gemacht werde.
Noch heute krümmte Tara sich, wenn sie an jenen Moment zurückdachte. Damals war sie zutiefst erschüttert gewesen. Voller Angst vor einem Leben ohne Freya und mit einem gebrochenen Herzen, konnte sie nicht glauben, was Freya da alles sagte. Sicher würde sie Lucien doch wiedersehen, oder? Das Leben wäre sonst unerträglich.
Jetzt war das Leben unerträglich, weil sie ihn wiedersehen musste.
Das einzig Gute an dem Ganzen war die Lektion, die sie aus dieser Erfahrung gelernt hatte: Ein Leben, wie Freya es sich vorgestellt hatte, war überhaupt nichts für Tara.
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und ging zu Liz, dem jungen Kindermädchen, das mit ihr hergekommen war. Liz hatte zusammen mit Tara am selben Institut Erziehungswissenschaften studiert, eine Ausbildung, die Tara sich mit Luciens Blutgeld finanziert hatte. Irgendwie hatte das die Scham erträglicher gemacht. Als sie ihre Abschlussurkunde als Jahrgangsbeste überreicht bekommen hatte, war das der stolzeste Moment in ihrem Leben gewesen. Daran musste sie sich jetzt festhalten.
„Kannst du solange auf Poppy aufpassen, während ich beim Grafen bin?“
Nach dem Examen hatte man Tara einen Stelle im Institut angeboten, und als sie um Urlaub gebeten hatte, um sich ansehen zu können, wo Poppy aufwachsen würde, hatte der Leiter des Instituts ihr geraten, Liz mitzunehmen. Natürlich hatte jeder der Kollegen die Zeitungsartikel gelesen, doch niemand, der Tara kannte, glaubte auch nur ein Wort von der hässlichen Geschichte. Wenn nur Lucien genauso sein könnte.
Aber das war er eben nicht, daran würde Tara nichts ändern können. Er war wie ein Racheengel ins Hotel gestürmt, und nun musste Tara ihm gegenübertreten.
Zum x-ten Mal strich sie sich den Rock glatt. Den billigen Rock. Aber diesmal passte er zumindest. Sie richtete ihre Bluse. Ihre billige Bluse. Sie musste unbedingt darauf achten, das Jackett geschlossen zu halten, sonst wäre zu sehen, wie der Knopf über ihren Brüsten spannte.
Ihr viel zu üppigen Brüste.
Alles an ihr war zu üppig. Selbst die Tränen, die jetzt über ihre Wangen rollten, waren zu dick. Sie konnte es sich nicht leisten, Schwäche zu zeigen. Nicht, wenn es um Poppy ging.
Unwirsch wischte sie die Tränen weg und knöpfte das Jackett zu. Besser, viel besser, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. Sie war bereit, sich allem zu stellen.
Auch Lucien Maxime, dem Comte de Ferranbeaux. Er mochte der Landesherr sein, aber konnte er auch garantieren, dass das Kind in der liebevollen Umgebung eines echten Zuhauses aufwuchs? Poppy sollte nicht von Fremden aufgezogen werden, so wie Freya und sie. Lucien konnte sicherlich alles kaufen … aber eben keine Zeit. Und seine geschäftlichen Unternehmungen brauchten viel von seiner Zeit auf.
Es klopfte an ihrer Zimmertür. „Miss Devenish?“ Auf ihre Aufforderung hin schob der Hotelmanager die Tür auf. „ Mon sieur le Comte erwartet Sie.“
Der Magen sackte ihr in die Knie. Ihr Plan war alles andere als ausgereift, da gab es noch zu viele Löcher. Sie brauchte mehr Zeit. Sie war mit Poppy nach Ferranbeaux gekommen, weil ihr Anwalt ihr gesagt hatte, sie sei verpflichtet dazu. Doch nach wessen Order richtete er sich da? Sie hatte doch die Verachtung in Luciens Augen gesehen. Was bedeutete, dass er den Zeitungsberichten glaubte. Was wiederum nur einen Schluss zuließ: Er wollte ihr Poppy wegnehmen, weil er sie für untauglich hielt, ein Kind großzuziehen.
Nun, Worte waren ihr nie leichtgefallen, und bis zu dem Unfall war sie zufrieden gewesen, in Freyas Schatten zu leben. Doch diese Zeiten waren vorbei, denn nun musste sie Poppy beschützen.
Sie hob das Kinn. „Danke. Bitte richten Sie dem Comte aus, dass es noch eine kleine Weile dauern wird.“
„Eine kleine Weile“ würde niemals reichen. Es wäre besser, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Der leise erstaunte Laut, der dem Manager entschlüpfte, schien anzudeuten, dass der Mann ebenso dachte. Und vielleicht wäre es auch viel besser, das Treffen im Privaten abzuhalten, wo niemand es sehen konnte, wenn sie sich zum Narren machte.
„Vielleicht könnten Sie ihn bitten, zu mir in die Suite zu kommen. Sagen wir, in zehn Minuten?“
Das Erstaunen auf der Miene des Hotelmanagers war nicht zu übersehen. Wahrscheinlich ermöglichten es ihm nur Jahre
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