Julia Extra Band 0301
des Trainings in der Kunst der Diskretion, mit einem Kommentar zurückzuhalten. Mit einer angedeuteten Verbeugung wandte er sich zum Gehen.
Bang zählte Tara die verstreichenden Sekunden. Gleich würde sie Lucien gegenüberstehen. Dem Mann, den sie anbetete, dem Mann, der sie bei ihrem letzten Treffen wie eine Dirne mit Geld entlohnt hatte.
Lucien ging unruhig im Zimmer auf und ab. Angestellte hatten diensteifrig immer wieder nach seinen Wünschen gefragt, er hatte sie mit einer Geste der Hand weggeschickt. Er wollte nur eines – dieses Treffen hinter sich bringen. Erst dann würde er seine Nichte in Sicherheit wissen.
Zumindest war es das, was er sich seit heute Morgen vorsagte. Die Wahrheit war jedoch etwas komplizierter. Natürlich ging es in erster Linie um Poppy, das war selbstredend. Aber Tara hatte vor zwei Jahren einen Stachel in sein Herz gepflanzt, den er endlich wieder loswerden musste.
Lucien schaute auf seine Armbanduhr. Wie konnte sie es wagen, ihn warten zu lassen? Hielt sie dieses Treffen für nicht wichtig genug, um pünktlich zu sein? Vielleicht konnte sie sich ja nicht von dem Luxus der Suite losreißen, die er ihr zur Verfügung gestellt hatte, und hatte darüber jeglichen Benimm vergessen?
Er fuhr sich mit den Fingern durch das nachtschwarze Haar. Er musste sich eingestehen, dass dieser letzte Gedanke nicht zu der Tara passte, an die er sich erinnerte. Falls überhaupt, dann räumte sie jetzt wohl eher die Suite auf. Er sah wieder vor sich, wie oft sie die Serviette aufgehoben hatte, die Freya fallen ließ, oder wie sie die Pfütze wegwischte, als die ältere Schwester Wein auf dem Tisch vergoss. Diese Tara passte überhaupt nicht zu dem Bild des Luders, das die Medien und Freya von ihr gezeichnet hatten.
Doch gerade als er dies dachte, leuchtete die Zeitungsschlagzeile wieder vor seinem geistigen Auge auf: Die heimli che Geliebte . Und er sah auch wieder die Fotos, die Übelkeit bei ihm verursacht hatten – Guy, wie er Tara im Arm hielt …
Er dachte an die Nacht, die er mit Tara verbracht hatte. Als sie geglaubt hatte, er schlafe, da hatte sie ihm zugeflüstert, für sie würde es nie einen anderen geben.
So viel also zum Wert von Unschuld und Treue.
Wo blieb sie nur? Er ging zur Tür, zog sie auf und blickte zur Treppe, die zum ersten Stock hinaufführte. Er musste immer in Erinnerung behalten, dass in ihr das gleiche Blut wie in Freya floss. Es wurde höchste Zeit, sie mit seinen Anschuldigungen zu konfrontieren.
4. KAPITEL
Es war nicht nur die Aura von Gefahr, die Lucien umgab und die die Aufmerksamkeit der Anwesenden in der Hotellobby auf sich zog. Lucien Maxime, sonnengebräunt und von Lebenserfahrung gestählt, vereinte in sich Bedrohlichkeit und Stil zu einer unwiderstehlichen Kombination.
Am Fuße der Treppe blieb er stehen, als er den Manager auf sich zueilen sah. „Wo ist sie?“, verlangte er zu wissen.
„Miss Devenish wird leider nicht herunterkommen, Monsi eur le Comte .“
Seine Unruhe wuchs. „Meine Nichte …“
„Ihr geht es bestens, soweit ich das beurteilen kann, mon sieur. “
Eine Welle der Erleichterung schwappte über ihm zusammen, sofort kehrten seine Gedanken zu Tara. „Warum möchte Miss Devenish dann in ihrer Suite bleiben?“
„Mademoiselle Devenish trug mir auf, Ihnen auszurichten, dass sie Sie in zehn Minuten in ihrer Suite empfangen wird.“
Das war die Höhe! Nicht nur missachtete sie seine Anweisungen, sie änderte auch den Plan und stellte eigene Bedingungen. Es wurde Zeit, dass das aufhörte. Saß sie in ihrer Suite und traute sich nicht heraus? Oder rieb sie sich die Hände, weil sie wusste, dass sie gleich einen Scheck in der Tasche hatte? Wie auch immer, seine Nichte würde auf jeden Fall schon bald sicher im Schoß der Familie sein.
„Na schön“, sagte er in einem Ton, dass der arme Manager einen Schritt zurückwich. „Dann gehe ich eben zu ihr.“
„Sehr wohl, Monsieur le Comte .“
Er tastete unwillkürlich nach dem Scheck in seiner Brusttasche. Wenn er eines von seinem Vater gelernt hatte, dann dass alles auf der Welt seinen Preis hatte. Tara hatte den ihren. Er würde sie bezahlen und dann aus seinem Leben streichen. Bei der Treppe hielt er an und drehte sich noch einmal um.
„Ist Miss Devenish allein in der Suite?“
„Es ist noch eine Frau bei ihr … und das Kind, natürlich.“
„Wer ist die andere Frau? Kennen Sie sie?“ Luciens Finger umklammerten das Treppengeländer fester. Es wäre nicht das erste Mal,
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