Julia Extra Band 0301
dass Männer in seiner Position von skrupellosen Frauen in kompromittierende Situationen gebracht wurden. Für Geld konnte man auch Falschaussagen kaufen.
„Wie ich verstanden habe, ist sie das Kindermädchen.“
Lucien presste die Lippen zusammen. „Aber ich dachte, dass Miss Devenish die Erziehung meiner Nichte übernommen hat. Das soll doch angeblich ihr Beruf sein.“ Man hatte ihm von Taras Abschluss berichtet.
Da der Manager geflissentlich schwieg, war Lucien gezwungen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Dieses „Kindermädchen“ hatte Tara wohl mitgebracht, damit sie das Baby, das ihr angeblich so viel bedeutete, jederzeit allein lassen konnte. Genau wie ihre Schwester.
Freya Devenish. Als ihm der Name in den Kopf schoss, verzog Lucien abfällig die Lippen. Die Frau, der das eigene Vergnügen wichtiger als alles andere gewesen war. Die Frau, die Guy überlistet hatte.
„Sie brauchen mich nicht anzumelden“, sagte er grimmig zu dem Manager. „Ich möchte Miss Devenish überraschen.“
Erst würde er dieses Kindermädchen wegschicken und dann herausfinden, was Tara wirklich wollte. Wie viel es kostete, damit sie ein für alle Mal verschwand. Für die Sicherheit seiner Nichte war kein Betrag zu hoch. Dass Tara keine Eile hatte, ihn zu sehen, ärgerte ihn mehr, als es sollte. Und dieser Ärger ließ auch das letzte Mitgefühl in ihm sterben. Ganz gleich, wen er in der Suite vorfinden würde, eine clevere Betrügerin oder eine heruntergekommene Schlampe, er würde sie auszahlen.
Tara hatte auf jedes Geräusch auf dem Korridor gelauscht. Als dann das energische Klopfen an der Tür ertönte, war sie so verspannt, dass sie erschreckt zusammenzuckte. Sie wusste, es war Lucien. Nur ein dünnes Holzblatt trennte sie noch voneinander. Der Hotelmanager hatte leise angeklopft, aber er war ja auch darauf trainiert, diskret zu sein. Für den Grafen von Ferranbeaux bestand kein Grund für Diskretion. Wieso auch? Es war seine Suite, sein Hotel, sein Land …
Sie war völlig in seiner Hand.
Taras Körper reagierte allein auf diesen Gedanken, den sie bemüht zu verdrängen suchte. Sie ermahnte sich, wie ungut es wäre, im Zustand der Erregung die Tür zu öffnen, doch ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen. Er schien einen eigenen Willen entwickelt zu haben, wollte Luciens Hände auf sich spüren. Tara war nur noch ein Nervenbündel aus Furcht … und Lust.
Wie sollte sie diese eine Nacht je vergessen können? Ihr Körper konnte es ebenso wenig.
Als ein zweites Klopfen ertönte, war es ihr endlich möglich, eine Antwort zu geben. „Einen Moment, bitte.“ Sie klang so eingeschüchtert, so angespannt. Ein letztes Mal holte sie Luft und strich sich noch einmal über das Haar, den Rock, das Jackett … Nur der Himmel konnte ahnen, welchen Eindruck diese kleine, unscheinbare Person auf einen weltgewandten Grafen machen würde. Wenn sie doch nur groß und schlank und elegant sein könnte, geistreich und schlagfertig …
„Tara!“, rief Lucien in diesem Moment ungeduldig. „Wenn du diese Tür nicht endlich öffnest, trete ich sie ein.“
„Entschuldigung, ich komme ja schon.“ Doch sie blieb reglos in der Mitte des Raumes stehen, die Fäuste an den Seiten geballt.
„Beeil dich!“
Diese Stimme hatte sie so sehr vermisst. Doch jetzt klang Lucien so wütend. Wütend auf sie. Tara stolperte vorwärts, es war die Enttäuschung, die sie antrieb.
„Ich mache jetzt auf“, sagte sie unnötigerweise und mit einer Stimme, die sich gekünstelt und schrill anhörte.
„Dann mach!“
Sie musste stark sein. Tara starrte auf die Türklinke und versuchte sich zu konzentrieren. Sie musste einfach. Freyas Leben und ihr tragischer Tod waren ihr eine schreckliche Warnung gewesen. Deshalb hatte sie ja auch alles darangesetzt, für sich ein besseres Leben zu schaffen. War es das etwa nicht wert, darum zu kämpfen?
Ihr Kopf war plötzlich leer, als Lucien von außen an der Türklinke rüttelte.
„Worauf wartest du, Tara?“
Sie musste daran glauben, dass unter all dieser Bitterkeit und Rage irgendwo noch immer der wahre Lucien lag, der Mann, der so nett und sanft zu ihr gewesen war. Mit zitternden Fingern drehte sie den Schlüssel im Schloss, den Blick fest auf die Tür gehaftet. Lucien hatte sie verändert, hatte ihr Leben verändert.
„Monsieur le Comte …“ Selbst jetzt fühlte sie sich lebendiger, doch ihre Stimme zitterte. Sie glaubte, sich sorgfältig für diesen Moment gewappnet zu haben, doch in Wirklichkeit
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