Julia Extra Band 0301
hatte nichts sie auf Lucien Maxime vorbereiten können.
Mit energischen Schritten betrat der Graf das Zimmer, marschierte an ihr vorbei, ohne sie überhaupt wahrzunehmen, blieb stehen und schaute sich um.
Und sie? Sie stand da, verwirrt und von Gefühlen überwältigt, unfähig, einen Ton herauszubringen. Doch etwas brach sich Bahn.
„Lucien, es tut mir so leid wegen deines Bruders …“
Sein eiskalter Blick ließ sie verstummen. „Ich bin nicht hier, um mit dir über Guy zu reden.“ Seine Worte hallten in der Stille nach, enthielten nichts als Verachtung. Seine Präsenz füllte den Raum. Es war jetzt sein Raum, und sie war nichts als ein unerwünschter Gast.
Und die Frau, die ihn noch immer liebte.
Sie wünschte, sie könnte die Hand nach ihm ausstrecken und ihn trösten, denn so kalt, dass er nicht unter dem Verlust des Bruders litt, konnte er unmöglich sein. Doch dieser Mann, der hier vor ihr stand, brauchte nichts und niemanden. Er war beherrschter und strahlte mehr Macht aus denn je.
Taras Mut sank. Sehr sorgfältig und leise drückte sie die Tür zurück ins Schloss. Als sie sich umdrehte, musterte Lucien sie mit einem Blick, der absolut nicht zu deuten war.
„Tara …“
Die ihr so vertraute Stimme triefte vor Ironie und Abscheu. Sie suchte in seinen Augen, hoffte darin etwas lesen zu können, während er sie musterte und Makel an ihr zu finden hoffte.
Davon gab es genug. Sie war noch immer zu pummelig, noch immer unscheinbar, noch immer ungelenk. „Poppy ist nebenan.“ Sie hoffte, ihn damit von sich ablenken zu können.
Doch auch das zeigte keinerlei Wirkung. „Ich werde gleich nach meiner Nichte sehen.“
Feine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Dieses Treffen war ein Albtraum, es hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem, was sie sich für das Wiedersehen mit Lucien erhofft hatte. Du solltest besser nicht das sein, wofür ich dich halte, schien er ihr ohne Worte zu sagen, denn dann werde ich sofort nach nebenan gehen und meine Nichte holen.
Das Bild des Bündels Geldscheine, das er vor zwei Jahren für sie hinterlassen hatte, blitzte in ihrem Kopf auf. Das Geld, das sie in seinen Augen als Dirne abstempelte. Wie er sich freuen musste, dass sie nie versucht hatte, es ihm zurückzuzahlen. Vor Gericht würde das seine Forderung nur untermauern. Aber sie hatte das Geld doch für ihre Ausbildung genutzt …
Es war dieser Gedanke, der es ihr ermöglichte, seinem Blick standzuhalten. „Ich weiß, was du jetzt denkst …“
„Wirklich?“
Seine Stimme klang so leise, so sanft, doch seine Augen blieben kalt. Eine Aura von Erbarmungslosigkeit und Härte umgab ihn. Tara dachte an Poppy. Für das kleine Mädchen, das völlig abhängig von ihr war, musste sie stark sein. Sie würde niemals zulassen, dass die Kleine die Einsamkeit erleben musste, von Dienstboten aufgezogen zu werden.
Vor zwei Jahren war Lucien gütig gewesen. Vor zwei Jahren hatte er sie nicht angeschaut, als wäre sie Abschaum. Vor zwei Jahren hatte sie ihr Herz, ihre Unschuld und ja, letztlich auch den Respekt für sich selbst verloren. Vielleicht hätte sie sich von ihm fernhalten sollen. Aber wie hätte es sie den Anwälten überlassen können, über Poppys Zukunft zu streiten? Nein, sie musste für Poppy kämpfen. Deshalb, und nur deshalb kreuzten sich ihre und Luciens Wege erneut.
„Glaubst du immer alles, was in den Zeitungen steht?“, fragte sie ihn vorsichtig.
„Willst du behaupten, diese Geschichte sei nur erfunden?“
„Ich hatte gehofft, du würdest die Antwort darauf wissen.“
„Nichts als Lügen, von deiner eigenen Schwester?“
Innerlich krümmte sie sich unter seinem Blick, doch sie würde sich nie dazu provozieren lassen, schlecht über Freya zu sprechen. „Freya hat sich geirrt“, sagte sie fest.
„Kannst du das beweisen?“
Lucien würde jedes Wort, das sie sagte, zermalmen und zertreten. Doch eigentlich hatte sie immer gewusst, dass das passieren würde, auch wenn ihre dumme Fantasie ihr einen wunderbaren Wunschtraum vorgegaukelt hatte. Dennoch würde sie sich verteidigen. „Was immer du glauben magst, ich habe nie mit Guy geschlafen.“
„Da habe ich also das Ehrenwort der heimlichen Geliebten , nicht wahr?“
Dass er die gemeine Schlagzeile zitierte, ließ sie erbleichen. „Denk, was du willst, aber ich kenne die Wahrheit.“
Lucien schwieg. Die Worte hingen zwischen ihnen, bis Tara die Spannung nicht mehr ertrug. „Wieso hätte ich mit Guy schlafen wollen, nachdem
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