Julia Extra Band 0301
Bereich Nachhilfe brauchte, musste ihn einige Überwindung gekostet haben. Anscheinend steckte er tatsächlich in der Klemme.
Dabei ist er gar nicht mal unattraktiv, gestand sie sich ein. Zuerst lenkte seine kraftvolle Persönlichkeit natürlich alles Augenmerk auf sich, aber wenn man von dem eindringlichen Blick der eisblauen Augen nicht so gelähmt war wie das sprichwörtliche Kaninchen angesichts einer Schlange, konnte man dazu kommen, sein markantes Gesicht als durchaus ansehnlich einzustufen.
Es war ihr von früher her durchaus vertraut, aber bisher war ihr Tylers Mund nie aufgefallen, der eigentlich ganz nett wirkte. Mit festen, kühlen Lippen, die leider zusammengepresst waren. Wie er wohl wirkte, wenn er lächelte? Und wie würde es sein, ihn zu küssen?
Mary atmete scharf ein, als ein seltsames Prickeln sie überlief, und rief sich zur Ordnung. Was fantasierte sie da? Es ging hier um Tyler Watts, einen gefühlsarmen, harten Mann. Genauso gut konnte man sich zärtlich an einen Felsen schmiegen! Seine Zukünftige musste einem leidtun.
„Beziehungsberatung ist nicht ganz mein Feld“, erklärte Mary nun behutsam. „Wenn Sie … Probleme mit Ihrer Verlobten haben, sollten Sie sich an die entsprechenden Fachleute wenden. Ich kann Ihnen welche empfehlen, wenn Sie möchten.“
„Ich brauche keine psychologische Beratung!“ Allein der Gedanke versetzte Tyler in Wut. Und dass alles viel schwerer zu erklären war, als er erwartet hatte, machte die Sache auch nicht besser. „Ich habe keine Probleme mit meiner Verlobten. Wirklich!“, bekräftigte er, als sie ihn skeptisch ansah. „Ich habe keine.“
„Sieht Ihre Verlobte das ebenso?“, erkundigte Mary sich.
„Ich habe keine Verlobte! Das ist doch mein Problem“, antwortete er brüsk.
„Und wen wollen Sie dann heiraten?“.
„Egal, wen!“ Hastig fügte er hinzu: „Sie natürlich nicht.“
„Ihnen ist egal, wen Sie heiraten?“, hakte sie nach.
„Nicht ganz. Sie muss schon einige Bedingungen erfüllen. Ich möchte selbstverständlich eine schöne, intelligente und kultivierte Partnerin. Allerdings habe ich momentan keine konkrete Person im Auge.“
Das meint er ernst, dachte Mary ungläubig. Er war ein Geschäftsmann des einundzwanzigsten Jahrhunderts, aber er plante – so kühl und steifnackig wie ein Graf in einem historischen Liebesroman – eine Vernunftehe.
„Tut mir leid, aber ich verstehe noch immer nicht, wie ich in Ihre Pläne passe“, bekannte sie und suchte nach einem Platz, um ihr leeres Glas abzustellen.
Frustriert fuhr sich Tyler durchs Haar. „Eine Frau zu finden ist nicht das Problem.“
Er klang so eingebildet, dass sie ihm am liebsten widersprochen hätte, musste ihm jedoch insgeheim recht geben. Tyler Watts war Anfang vierzig und besaß eine der hundert erfolgreichsten Firmen des Landes, die er sozusagen aus dem Nichts aufgebaut hatte. Er war unglaublich reich, ausgesprochen intelligent und irgendwie attraktiv – wenn man den Typ rücksichtsloser Macho mochte. Und das taten viele Frauen, sogar, wenn der Betreffende kein Millionär war.
„Was ist denn dann Ihr Problem?“, hakte Mary nach.
„Eine Frau zu behalten“, gestand er. „Ich möchte heiraten, aber meine Beziehungen dauern nicht einmal so lang, dass es für eine Verlobung reicht.“
„Vielleicht haben Sie einfach noch nicht die Richtige getroffen“, versuchte sie ihn zu trösten.
„Nein, daran liegt es nicht. Ich habe durchaus einige passende Frauen kennengelernt, aber immer mache ich etwas falsch. Und da kommen Sie ins Spiel.“
„Ich wüsste nicht wie“, sagte sie ganz offen.
„Sie geben doch Kurse, in denen sie Menschen helfen, sich Ziele zu stecken und zu erreichen.“
„Ja, aber im Job! Ich helfe Leuten im Beruf, nicht in der Liebe.“
„Das ist doch ziemlich derselbe Prozess, oder? Ich habe mein Ziel schon gesteckt. Ich möchte heiraten. Nun müssen Sie mir helfen, die richtige Strategie auszuarbeiten, um es zu erreichen.“
„Aber das Gefühlsleben kann man nicht planen!“
„Wieso nicht?“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Alles ist Taktik. Irgendetwas mache ich falsch. Sie finden heraus, was es ist, und sagen mir, was ich stattdessen tun soll. Ich wende das Gelernte auf meine nächste Beziehung an, die daraufhin funktioniert. Ich heirate und habe damit die Ziellinie überquert. So sieht meine Strategie im Einzelnen aus.“
Mary seufzte. „Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, was nicht stimmt, Mr. Watts: Ihre
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