Julia Extra Band 0301
Ziele niedriger stecken, denn Sie werden niemals Erfolg haben, wenn Sie bei jeder Chance so gefühlsbetont reagieren wie jetzt.“
„Das Risiko gehe ich ein.“ Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Sie sind nicht der einzige Arbeitgeber in York, und ich würde wirklich lieber mit jemandem verhandeln, der Erpressung nicht zu seinen Verhandlungstaktiken zählt. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Mr. Watts! Ich möchte nach Hause.“
„War sie brav?“, erkundigte Mary sich.
Auf Zehenspitzen ging sie zum Bett ihrer kleinen Tochter und legte ihr sanft die Hand auf den Bauch. Es war albern, aber sie musste sich jedes Mal überzeugen, dass das Baby noch atmete und es ihm gut ging, wenn sie außer Haus gewesen war.
„Ja“, antwortete ihre Mutter von der Tür her. „Sie hat keinen Muckser von sich gegeben.“
Widerstrebend ließ Mary ihr schlafendes Baby allein und humpelte wieder nach unten, wo sie im Wohnzimmer, erleichtert seufzend, aufs Sofa sank und sich die schmerzenden Füße massierte.
„Danke, Mom, dass du auf Bea aufgepasst hat“, sagte sie, als ihre Mutter sich zu ihr gesellte.
„Das mache ich doch gern! Wie war denn der Empfang?“
Mary schnitt ein Gesicht. „Nicht unbedingt ein Erfolg.“
Eigentlich hätte sie den Abend als Katastrophe bezeichnen müssen, aber sie wollte nicht so negativ klingen, denn ihre Mutter hatte im Moment selbst genug Sorgen.
„Alles in allem reine Zeitverschwendung“, fügte Mary hinzu und rieb sich den Arm, wo Tyler Watts sie festgehalten hatte. Ein Wunder, dass keine blauen Flecke zu sehen waren.
„Ach, schade!“Virginia Travers sah enttäuscht aus. „Es klang nach einer so guten Gelegenheit für dich, Kontakte zu knüpfen. Es wird also nichts aus einem Vertrag mit Watts Holding?“
Mary dachte an Tylers Ausdruck, als sie ihn stehen gelassen hatte. „Das ist zumindest unwahrscheinlich.“
„Was willst du jetzt machen, Mary?“
Dass ihre Mutter so besorgt klang, verursachte Mary Schuldgefühle. Wieso hatte sie ihre Chance verspielt, Tyler Watts zu beeindrucken? Na ja, Eindruck hatte sie vermutlich schon auf ihn gemacht. Nur leider den falschen!
„Irgendwas wird sich schon ergeben.“ Sie zwang sich, optimistisch zu klingen. „Es gibt Firmen, mit denen ich mich noch nicht in Verbindung gesetzt habe, und ich habe einige Aushilfskräfte untergebracht.“
Dass diese nur für eine Woche eingestellt waren, verschwieg sie ihrer Mutter. Diese blickte starr vor sich hin und ließ eine Hand nervös über die Lehne ihres Sessels gleiten.
„Was ist mit dir, Mom?“, erkundigte Mary sich alarmiert.
„Bill hat heute Abend angerufen.“ Virginia Travers Stimme bebte leicht. „Er möchte zu mir zurückkommen.“
„Oh, Mom!“ Rasch stand Mary auf und ging zu ihr. Sie setzte sich auf die Lehne und legte ihrer Mutter den Arm um die Schultern.
Ihre Mutter war wie am Boden zerstört gewesen, als Bill ihr verkündet hatte, er würde sie verlassen. Da zu der Zeit Mary bereits ungewollt schwanger war, hatte es nahe gelegen, dass sie nach York zurückkehrte und dort ihr Baby bekam. Sie musste irgendwo wohnen. Ihre Mutter war froh über die Gesellschaft, und so war beiden gedient.
Das Haus war ein bisschen klein für zwei Frauen und ein Baby, aber es hatte alles ganz gut geklappt. Marys Mutter hatte sich mittlerweile so weit gefangen, dass sie eine Scheidung ernsthaft in Erwägung zog.
Und nun das!
„Was hast du Bill gesagt?“, erkundigte Mary sich sanft.
„Dass ich ihn morgen treffe und wir alles besprechen.“
Sie umarmte ihre Mutter fester. „Du möchtest ihn zurück, stimmt’s?“
Virginia Travers nickte. „Ich weiß, ich müsste ihn hassen – aber ich vermisse ihn so sehr!“
„Auf jeden Fall solltet ihr über alles reden“, meinte Mary sachlich. „Ihr seid ja noch verheiratet. Vielleicht könnt ihr eure Ehe retten … wenn ihr beide es wollt.“
„Aber im Moment ist hier kein Platz für ihn“, wandte ihre Mutter bedrückt ein.
„Bea und ich ziehen aus. Es ist höchste Zeit, dass ich eine eigene Wohnung finde.“
„Die kannst du dir im Moment doch nicht leisten, Kind.“
„Mir fällt schon was ein“, behauptete Mary zuversichtlich und drückte ihre Mutter noch einmal liebevoll an sich.
Am nächsten Morgen war sie nicht mehr so optimistisch, als sie die vielen Stufen zu ihrem Büro hinaufging. Es befand sich in der Mansarde eines Hauses aus dem siebzehnten Jahrhundert, das mit den verwinkelten Räumen, den schiefen Böden und
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