Julia Extra Band 0301
nicht vertrieben, wahrscheinlich, weil er ein Mann war, der erst ging, wenn er seine Mission erledigt hatte.
„Ach, würde es Ihnen etwas ausmachen, die Kleine einen Moment lang zu halten?“, fragte Mary schließlich und reichte ihm das Kind, bevor er widersprechen konnte. „Ich muss nur den Schlüssel finden.“
Entsetzt hielt Tyler das Baby mit ausgestreckten Armen von sich und betrachtete es nervös. Es sah ihn mit seinen runden Augen, die so grau wie die seiner Mutter waren, unerschrocken an.
„Ach, da ist er ja.“ Triumphierend zog Mary den Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. Sie öffnete die Tür zu dem hellen, von Herbstsonne durchfluteten Raum mit der schrägen Decke. „Darf ich Sie in mein luxuriöses Penthouse bitten“, sagte sie ironisch und ging voraus.
3. KAPITEL
Verblüfft stand Tyler einen Moment lang mit dem Baby da, dann folgte er Mary ins Büro. Statt ihm das Kind abzunehmen, ging sie zum Computer und schaltete ihn ein.
„Ach, Mary?“ Tyler versuchte, sie auf sich aufmerksam zu machen.
Mary blickte hoch und unterdrückte ein Lächeln. Sie hatte noch keinen Mann gesehen, dem es so viel Unbehagen bereitete, ein Kind zu halten. Sein sonst so finsterer Ausdruck wirkte nun ausgesprochen alarmiert.
Wer hätte gedacht, dass ein Baby genügt, um Tyler Watts dumm dastehen zu lassen?, dachte sie schadenfroh. Schade, dass sie Bea nicht zu dem Empfang mitgenommen hatte.
Während sie ihn beobachtete, wechselte sein Ausdruck von alarmiert zu entsetzt, als Bea das Gesicht Unheil verkündend verzog.
Tyler befürchtete, das Kind könne jeden Moment zu weinen anfangen. Vorsichtig wiegte er es ein bisschen hin und her, und zu seiner Überraschung sah es ihn fragend an, als wüsste es nicht, wie es reagieren sollte. Und dann – statt loszubrüllen – lächelte es ihn strahlend an!
Seltsam geschmeichelt wiegte er die Kleine noch ein bisschen mehr. Anscheinend gefiel ihr dieses Spiel, denn sie rief triumphierend: „Ga!“ Und sie lächelte weiterhin. Diesem Charme konnte er unmöglich widerstehen. Unwillkürlich erwiderte er das Lächeln.
Mary hatte sich am Vorabend gefragt, wie Tyler wohl aussehen mochte, wenn er lächelte. Nun wusste sie es. Ein Lächeln genügte, um ihn Jahre jünger und viel zugänglicher wirken zu lassen. Und beunruhigend attraktiv.
„Möchten Sie Kaffee?“, fragte sie betont munter.
Er hörte zu lächeln auf und wirkte plötzlich etwas unsicher. Anscheinend war es ihm peinlich, beim Spielen mit dem Baby beobachtet worden zu sein.
„Ja“, sagte er, wieder so schroff, wie es seine Art war.
Nachdem Mary die Kaffeemaschine gefüllt und angeschaltet hatte, breitete sie eine Decke auf dem Boden aus und nahm Tyler endlich das Baby ab. Dabei streifte ihre Hand seine, und ein seltsames Prickeln überlief sie. Um sich abzulenken, suchte sie Spielzeug für Bea und beschäftigte sich kurz mit ihr.
„Setzen Sie sich doch“, forderte sie Tyler höflich auf. „Ich bin gleich fertig.“
Tyler nickte, ging dann aber im Büro umher, das weiß gestrichen und mit wenigen schlichten Möbeln eingerichtet war. Man sah dem Raum an, dass Mary die Agentur erst kürzlich gegründet hatte.
Um sich von der eigenartig warmen Empfindung abzulenken, die Beas Lächeln bei ihm verursacht hatte, begann er, die Umsätze einer so kleinen Agentur zu überschlagen. Dann brauchte er auch nicht auf Mary zu achten, deren Nähe ihm allzu deutlich bewusst war.
Um nicht zu ihr zu blicken und zu registrieren, wie sich ihre Bluse über den vollen Brüsten spannte, wenn sie sich bewegte, nahm er einen Kalender vom Schreibtisch und betrachtete die Bilder.
Dabei versuchte er, sich auf den Grund seines Kommens zu besinnen, den er wegen des Babys beinah aus den Augen verloren hatte. Seltsam, wie warm und schwer sich die Kleine angefühlt hatte!
Mary beobachtete Tyler unauffällig und fragte sich, was er hier wollte. Bestand vielleicht eine Chance, dass sie ihre Fehler des vergangenen Abends ausbügeln konnte?
Als der Kaffee fertig war, setzte Tyler sich endlich auf den Sessel, den Mary für ihre Klienten bereitgestellt hatte. Sie setzte sich auf den anderen, obwohl sie lieber am Schreibtisch Platz genommen hätte, wo sie sich distanziert und professionell gefühlt hätte. Bea hätte jedoch vielleicht etwas dagegen gehabt, sie aus den Augen zu verlieren … und außerdem gönnte Mary Tyler nicht die Genugtuung zu merken, wie nervös er sie machte.
„Was kann ich für Sie tun?“, begann sie das
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