Julia Extra Band 0301
nervös. „Und das heißt ‚dick‘?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, hinreißend.“
„Danke“, sagte sie leise und errötete.
„Wenn du meine Freundin wärst, würde ich dich jetzt küssen, oder? Um dir zu beweisen, wie großartig du aussiehst.“
„Ja, das könntest du, aber da ich nicht deine …“
„Lass uns so tun, als wärst du es“, unterbrach er sie. „Damit wir die Lektion auch gleich praktisch üben, und ich im Ernstfall alles auf Anhieb richtig hinbekomme.“
Das Problem war, wie Tyler später erkannte, dass er nicht klar genug gedacht hatte. Er hatte sich einen flüchtigen Kuss ausgemalt, eine höfliche und zugleich freundliche Geste, die Mary sagen sollte, wie umwerfend sie aussah.
Doch als er den Mund auf ihre weichen, verführerischen Lippen drückte, durchflutete ihn ein ganz anderes Gefühl als Freundlichkeit und Höflichkeit. Bevor er überlegte, was er da tat, hatte er sie schon an sich gezogen und gab dem unwiderstehlichen Drang nach, sie leidenschaftlich zu küssen.
Mary verspannte sich kurz, dann gab sie allen Widerstand auf. Sie schmiegte sich an ihn und erwiderte den Kuss verlangend, beinah zornig. Es fühlte sich an, als würden sie sich gegenseitig bestrafen wollen, und zugleich wurden die Empfindungen immer unbeherrschbarer. Bald gab es nichts mehr als aufwühlendes Verlangen, während Hitze zwischen ihnen aufwallte, lodernd und unaufhaltsam wie eine Feuersbrunst.
Besitzergreifend ließ Tyler die Hände über Marys Rücken gleiten und presste sie an sich. Sie ließ es gern geschehen und schmiegte sich so eng an ihn, dass sie mit ihm zu verschmelzen schien. Nichts mehr war wichtig als das wilde, hemmungslose Pulsieren des Begehrens. Tyler fühlte sich so stark an, so fest, so … gut, und seine Lippen waren so weich.
Ihr war, als würde ein Strudel aus Empfindungen sie mit sich reißen, und das Gefühl, sich zu verlieren, war plötzlich so stark, dass sie sich an Tyler klammerte, als wäre er der einzige Fixpunkt im ganzen weiten Universum.
Als er schließlich den Kopf hob, protestierte sie leise, denn ihr graute vor dem Moment, wenn sie ihn loslassen musste.
Tyler war über den Verlust seiner Beherrschung so erschüttert, dass er Mary zuerst nur starr und wortlos anblicken konnte, während er versuchte, tief durchzuatmen. Unglaublich, dass er sich so hatte mitreißen lassen, wie berauscht von Marys Wärme und Süße.
Mary sah, wie er feststellte, schockiert aus, ihre Augen wirkten ganz dunkel. Was hatte er da bloß angerichtet? Er hatte sie schon einmal geküsst, und nun fiel ihm verspätet wieder ein, wie gefährlich verführerisch es gewesen war – und nichts im Vergleich zu dem Kuss gerade eben!
Es war das Dümmste, was er hatte tun können. Zum einen wollte er gar nicht wissen, wie herrlich es war, sie zu küssen, denn ihre Wege würden sich demnächst trennen. Zum anderen wusste er nicht, was er sagen sollte, wenn Mary ihn nun fragte, warum er sie einfach gepackt und geküsst hatte.
Wie konnte ich bloß so ein Narr sein?, fragte Tyler sich, insgeheim stöhnend. Sich zum Narren machen, die Kontrolle verlieren, dumm dazustehen … das war sein schlimmster Albtraum. Der war jetzt wahr geworden, und Mary war irgendwie schuld an allem. Sie hatte sein Leben auf den Kopf gestellt und ihn dazu gebracht, sich völlig unerklärlich zu verhalten.
„Es tut mir leid“, sagte er schließlich rau und fuhr sich durchs Haar. „Ich habe mich mitreißen lassen, weil ich vergessen hatte, dass du es warst.“
Anders gesagt, er wollte mich nicht küssen, dachte Mary niedergeschlagen, riss sich aber tapfer zusammen. Ihr Körper und ihre Sinne schienen noch zu vibrieren, und sie hätte nichts lieber getan, als sich wieder an den Mann zu pressen, der vergessen hatte, wer sie war. Und der sie nicht geküsst hätte, wenn er daran gedacht hätte …
„Schon gut“, erwiderte sie ein bisschen zittrig. „Ich nehme es als Kompliment für mein Kleid. So ein Kuss ist wirklich das, was du mit einer richtigen Freundin in dieser Situation tun solltest. Also, alles in allem gebe ich dir Note eins für diese Vorstellung.“
Das sollte genügen, um ihm zu beweisen, dass sie den umwerfenden Kuss nicht ernst genommen hatte. Dann entschuldigte sie sich und ging – mit weichen Knien, wie sie zugeben musste – in den Waschraum, um sich die Lippen neu zu schminken.
Tyler hatte ein Taxi bestellt, das sie zur Merchants Adventurers’ Hall brachte. Mary wusste nicht, ob sie darüber froh
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