Julia Extra Band 0301
oder entsetzt war. Sie freute sich, nicht in hochhackigen Schuhen durch die Straßen gehen zu müssen, dicht neben Tyler im dunklen Auto zu sitzen war aber vielleicht das größere Übel.
Am Ende der Fahrt war sie sich dessen sicher. Er war so reserviert und abweisend wie ein Fremder, und er achtete darauf, sie nicht zu berühren. Trotzdem schien die Luft zwischen ihnen vor Spannung zu vibrieren.
Sobald sie vor der Halle angekommen waren, fiel Mary beinah aus dem Wagen vor Eile, endlich Abstand zischen sich und Tyler zu legen. Als er zu ihr kam und sie unterhaken wollte, wich sie zurück.
„Es soll doch nicht so aussehen, als gehörten wir zusammen“, erinnerte sie ihn.
„Doch, genau das ist Sinn der Sache“, widersprach Tyler gereizt. Er war in fürchterlicher Laune, und dass er Mary im Taxi nicht hatte berühren dürfen, hatte seine seelische Verfassung nicht verbessert. „Ich soll doch an dir üben.“
„Ich dachte, du wolltest dich auf die Suche nach einem Date machen.“
Nun fragte er sich, völlig verwirrt, was er überhaupt bei dem Empfang machte. „Ja, das auch“, gab er zu.
„Du möchtest doch bestimmt nicht, dass ich an deinem Arm hänge, während du versuchst, eine Frau zu beschwatzen, oder? Das hätte keinen Stil.“
Den habe ich sowieso nicht, dachte Tyler finster, während sie gemeinsam die mittelalterliche Halle mit der eindrucksvollen geschnitzten Holzdecke betraten. Er hasste Empfänge, wie Mary wissen müsste. Aber sie hatte es anscheinend vergessen. Statt bei ihm zu bleiben und ihn zu unterstützen, wofür sie immerhin bezahlt wurde, nutzte sie die erstbeste Gelegenheit, um ihn stehen zu lassen und am anderen Ende des lang gestreckten Raum angeregt mit jemandem zu plaudern.
Nach kurzer Zeit scharten sich mehrere Männer um sie, denen man das nicht zum Vorwurf machen konnte. Mary sah wirklich fantastisch aus: sexy und voller Leben, dazu war sie intelligent und humorvoll, wie der Ausdruck ihrer leuchtenden Augen verriet. Ja, sie war hinreißend attraktiv.
Trotzdem wünschte er, sie wäre wieder die mütterlich rundliche, etwas biedere Frau, die sie noch vor einem Monat gewesen war. Es gefiel ihm nämlich gar nicht, wie die anderen Männer sie anblickten. Er wollte der Einzige sein, dem auffiel, wie warm und weich sie war. Nun aber merkten es alle! Und sie hatte für ihn, Tyler Watts, keinen Blick mehr übrig!
Er ließ sich einen Drink geben und dachte an den Zweck des heutigen Abends: eine geeignete Frau zu finden, die mit ihm ausgehen würde. Es waren ja genug weibliche Wesen da.
Die kümmerten sich allerdings nicht um ihn. Er wurde von ernsthaften Männern mit Beschlag belegt, die mit ihm über Geschäfte sprechen wollten. Über deren Schultern hinweg beobachtete er Mary, die lachte, flirtete und sich offensichtlich köstlich amüsierte! Ihn hatte sie anscheinend ganz vergessen!
Ach, nein, da bequemte sie sich endlich zu ihm. Sie hakte ihn unter und lächelte seine Gesprächspartner charmant an.
„Würden Sie mir Tyler einen Augenblick lang überlassen?“, fragte sie. „Ich möchte ihn mit jemandem bekannt machen.“
Wieso konnte er sich nie so elegant aus der Affäre ziehen? Entweder musste er sich das Gerede bis zum bitteren Ende anhören, weil er nicht wusste, wie er sich entschuldigen sollte – oder er wählte die brutale Methode und ließ die Leute einfach stehen. Tyler fühlte sich plötzlich minderwertig und blickte sich finster um.
„Mach, um Himmels willen, ein freundlicheres Gesicht“, empfahl Mary ihm leise. „Sonst will keine Frau mit dir ausgehen. Lächle!“
Danach war ihm nicht zumute. Schon gar nicht, als er Mary unauffällig betrachtete. Der Kuss hatte ihr anscheinend gar nichts bedeutet. Sie benahm sich ganz wie eine Beziehungstrainerin, die sie ja auch war, und versuchte, ihn an die Frau zu bringen!
„Wen soll ich denn kennenlernen?“, erkundigte er sich mürrisch.
„Sie heißt Fiona. Ich glaube, sie wird dir gefallen: elegant, attraktiv – blond, natürlich – und intelligent. Sie arbeitet bei einer Versicherung, was genau, weiß ich nicht. Jedenfalls perfekt für dich“, meinte sie energisch. „Mir kam sie sehr nett vor, und sie hat mir erzählt, dass sie sich vor kurzem von ihrem langjährigen Freund getrennt hat. Ich schätze sie auf Ende zwanzig. Sie ist also in dem Alter, wo man an Ehe und Familie zu denken anfängt.“
„Wer hat dich eigentlich gebeten, mich zu verkuppeln?“, fragte Tyler scharf. „Du sollst mich fit machen
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